Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Tatbeitrag des Gehilfen ("Hilfe leisten")
Rz. 153
Beihilfe besteht in der "Hilfeleistung" zu einer fremden vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat. Die Mittel der Beihilfe sind gesetzlich nicht näher konkretisiert. Es genügt jeder Tatbeitrag, der als physische oder psychische Unterstützung, Förderung, Erleichterung, Verstärkung, Absicherung oder Ermöglichung der Tat und nicht als täterschaftliche Begehung der Tat oder als Anstiftung anzusehen ist (s. Rz. 82 f.). Die die Tat fördernden Handlungen müssen vom Tatgericht konkretisiert werden (s. Rz. 165, 187).
"Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21 [= EWiR 2000, 895 (Jahn) = ZIP 2000, 1828]). Ist eine Person in ein auf Hinterziehung von Umsatzsteuer ausgerichtetes Gesamtsystem integriert, fördert sie, wenn sie von den anderen Geschäften in der Lieferkette Kenntnis hat, als Gehilfe mit ihrem eigenen Beitrag innerhalb der Lieferkette auch jeweils eine Umsatzsteuerhinterziehung der anderen Mitglieder, die an den auf Hinterziehung der Umsatzsteuer gerichteten Geschäften beteiligt sind (vgl. BGH v. 11.12.2002 – 5 StR 212/02, NStZ 2003, 268[ = wistra 2003, 140])."
Wer bspw. fälschlich steuerpflichtige Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG anmeldet, die tatsächlich aber nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldet werden, führt keinen Hinterziehungserfolg herbei. In der Anmeldung kann aber eine Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung des Empfängers liegen, wenn dieser unberechtigt einen Vorsteuerabzug vornimmt (zur strafrechtlichen Verantwortung wegen des Ausstellens unrichtiger Rechnungen s. Rz. 113.12). Bei Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell liegt nicht nur eine täterschaftliche Begehung des § 370 Abs. 1 AO durch die selbst zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuer, sondern auch Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung der anderen Mitglieder vor. Im Abschluss eines Scheinvertrags, durch den eine Gehaltszahlung verschleiert wird, kann Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des Gehaltsempfängers liegen.
Beispiel 5
Um die anfallende Lohnsteuer auf eine Gehaltszahlung an einen Profi-Fußballer nicht abführen zu müssen und damit der Spieler die Zahlung vor dem FA verheimlichen konnte, vereinbarte der Verein mit einer Werbeagentur ein Scheinvertragsverhältnis, in dem die Werbeagentur angeblich ihr zustehende Vermarktungsrechte am Spieler entgeltlich auf den Verein übertrug. Die Werbeagentur leitete später einen Großteil der Gelder für die Übertragung der Vermarktungsrechte an eine Firma des Spielers in Ghana weiter. Die Angeklagten (der Spieler und zwei Mitglieder des Vereinspräsidiums) wurden u.a. wegen Einkommensteuerhinterziehung bzw. wegen Beihilfe dazu verurteilt.
Im Abschluss des Scheinvertrags und in der Nichtaufnahme der Zahlung in die Lohnsteuerbescheinigung für den Spieler lag eine strafbare Hilfeleistung i.S.d. § 27 StGB zur Einkommensteuerhinterziehung des Spielers, denn die Zahlung war beim Spieler nach § 19 EStG steuerpflichtig. Zur Frage der täterschaftlichen Verantwortung wegen der unrichtigen Lohnsteueranmeldung s. Rz. 113.12.
Rz. 154
Beihilfe liegt jedenfalls dann vor, wenn der fördernde Tatbeitrag seine Wirkung bis zur Vollendung der Haupttat entfaltet. Irrelevant ist es dann, wann der fördernde Beitrag erbracht wurde (s. Rz. 157). Streitig ist, ob Beihilfe angenommen werden kann, wenn die tatfördernde Wirkung im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat liegt, oder ob dann die Begünstigung nach § 257 StGB einschlägig ist (s. § 369 Rz. 68). Der BGH hat aber selbst in Fällen, in denen die tatfördernde Wirkung erst weit nach Beendigung des § 370 AO eintrat, Beihilfe zur Steuerhinterziehung bejaht, nämlich dann, wenn die Aufdeckung einer begangenen Steuerhinterziehung durch eine Handlung des Gehilfen im Vorfeld der Steuerstraftat erschwert wurde (s. § 369 Rz. 70 f.; s. auch Rz. 156 mit Beispiel).
Rz. 155
Bezüglich der Hilfeleistung i.S.d. § 27 StGB ist umstritten, ob der Gehilfenbeitrag für die Haupttat (mit-)ursächlich geworden sein muss oder ob es mit der Rspr. ausreicht, dass der Gehilfenbeitrag nur die Handlung des Haupttäters gefördert hat ohne ursächlich für die Haupttat selbst gewesen zu sein. Abweichende Ergebnisse können sich allerdings nur unter der Voraussetzung ergeben, dass dabei die Ursächlichkeit in Bezug auf den Erfolg der Haupttat im Sinne der Condicio-sine-qua-non-Formel verstanden wird. Danach ist ein Verhalten dann kausal für einen Erfolg, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass auch der Erfolg entfiele.
Beispiel 9
A stellte ihr privates Bankkonto ihrem Ehemann E zur Aufnahme von Umsatzerlösen zur Verfügung. Sie wusste, dass E die anfallende Umsatzsteuer hinterzog und kannte alle Umstände de...