Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 885
Das konsumierende Gesetz erfasst zwar nicht zwingend, aber doch in aller Regel den Unrechtsgehalt des verdrängten Gesetzes, so etwa der Einbruchsdiebstahl den regelmäßig gleichzeitig verwirklichten Hausfriedensbruch oder nach früher überwiegender Meinung die durch das gewaltsame Öffnen der Räumlichkeit begangene Sachbeschädigung. Hier spricht andererseits aber nichts dagegen, diese Straftatbestände zur Klarstellung als tateinheitlich mitverwirklicht anzusehen und sie nicht zurücktreten zu lassen; die Auswirkungen auf die Strafzumessung dürften gering sein. Manche gehen davon aus, dass aus dieser Art der Gesetzeskonkurrenz das Zurücktreten der Steuerabzugsgefährdung nach § 380 AO gegenüber der Steuerhinterziehung nach 370 AO folgt.
Rz. 886
Die Konsumtion bezieht sich auf die Fälle, in denen eine Handlung (§ 52 StGB) mehrere Tatbestände verwirklicht oder Teil der Tatbestandsverwirklichung mehrerer Tatbestände ist. So ist etwa das Aufbrechen eines Fensters, das den Wohnungseinbruch ermöglicht, sowohl Tatbestandselement des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB als auch des § 303 StGB.
Rz. 887
Liegen dagegen mehrere Handlungen und mehrere Gesetzesverletzungen vor (wäre also ohne Verdrängung § 53 StGB anzuwenden), gilt das Gleiche wie bei der Konsumtion nach den Grundsätzen der mitbestraften Vor- oder Nachtat. Das Schwergewicht des verwirklichten Unrechts in einem Gesamtkomplex mehrerer Straftaten liegt bei der mitbestraften Nachtat in der zeitlich zuvor verwirklichten Tat, bei der mitbestraften Vortat in der zeitlich anschließend begangenen Tat. So ist bspw. die durch den anschließenden Verzehr einer zuvor nach § 242 StGB gestohlenen Wurst (durch denselben Täter) begangene Unterschlagung nach § 246 StGB mitbestrafte Nachtat des Diebstahls. Deshalb ist die in der Angabe, Vorschenkungen hätten nicht stattgefunden, liegende Steuerhinterziehung durch aktives Tun mitbestrafte Nachtat zur Hinterziehung von Schenkungsteuer durch das Unterlassen, die erhaltenen Vorschenkungen anzuzeigen. Durch die Falschangabe, es habe keine Vorschenkungen gegeben, werden lediglich die Vorteile der Hinterziehung der Schenkungsteuer durch vorangegangene Unterlassungstaten gesichert. Das gilt aber nur insoweit, als die Angekl. wegen noch nicht verjährter Taten der Hinterziehung von Schenkungsteuer bezogen auf die einzelnen Vortaten noch verfolgt werden kann.
"Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn im Verlauf eines deliktischen Geschehens verschiedene Angriffsobjekte beeinträchtigt werden, die konkrete Sachverhaltsgestaltung aber ergibt, dass das Schwergewicht des Unrechts nur unter dem Gesichtspunkt des nachfolgenden Delikts zu behandeln ist (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl., Vor § 52 Rn. 59). Dies ist insbesondere bei Durchgangsdelikten gegeben, deren Unrechtsgehalt deshalb nicht über den der "Haupttat" hinausgeht, weil er sich darin erschöpft, einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vorzubereiten (BGH, Urt. v. 13.7.2017 – 1 StR 536/16 Rz. 51, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25; vgl. Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rz. 127; LK-StGB/Rissing-van Saan, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rz. 150; von Heintschel-Heinegg, a.a.O.)".
Rz. 888
Als mitbestrafte Vortaten können die eine Tat nach § 370 AO vorbereitenden Steuergefährdungen i.S.d. §§ 379, 381 und 382 AO angesehen werden. Die Steuerhehlerei nach § 374 AO ist im Verhältnis zu § 370 AO mitbestrafte Nachtat (s. § 374 Rz. 70). Anders ist das dagegen bei Anstiftern oder Gehilfen der Vortat, die die Nachtat täterschaftlich verwirklichen (s. § 374 Rz. 55). Damit sind Anstiftungshandlungen (Bestellung von Zigaretten), an denen der Täter anschließend eine Steuerhehlerei begeht, nicht nach §§ 26, 370 AO, sondern nach § 374 AO zu bestrafen. Wegen Geldwäsche nach § 261 StGB wird nach Abs. 9 Satz 2 nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Eine im Beitreibungsverfahren begangene weitere Steuerhinterziehung ist keine mitbestrafte Nachtat zur zuvor hinsichtlich derselben Steuer im Festsetzungsverfahren begangenen Steuerhinterziehung (s. auch Rz. 915). Zur Wahlfeststellung zwischen § 370 und § 374 AO s. Rz. 920 ff. sowie § 374 Rz. 129.
Rz. 889
Da die Sondertatbestände der Schädigung des Umsatzsteueraufkommens nach § 26b UStG (Ordnungswidrigkeit) und des § 26c UStG (Straftat) tatbestandlich die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer voraussetzen, spricht das dafür, im Verhältnis zu § 370 AO von einer mitbestraften Nachtat auszugehen, wenn die zuvor bereits i.S.d. § 370 AO hinterzogene Umsatzsteuer anschließend nicht entrichtet wird. Der Unrechtsgehalt der Nichtzahlung der hinterzogenen Steuer wird durch die Verurteilung wegen § 370 AO mit abgedeckt, da es das Ziel der Steuerhinterziehung ist, die eigentlich geschuldete Steuer dauerhaft nicht zu entrichten. Denkbar ist es aber auch, zur Klarstellung die verdrängende Wirkung des ...