Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Allgemeines
Rz. 1711
Wurde Vermögen in eine ausländische Lebensversicherung investiert und stellt sich in diesem Kontext die Frage, ob der Stpfl. durch die Nichterklärung den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht hat, müssen zunächst die Lebensversicherungspolice, sämtliche Vereinbarungen mit der Versicherungsgesellschaft sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen geprüft werden. Im Einzelnen gilt steuerstrafrechtlich Folgendes:
b) Objektiver Tatbestand
Rz. 1712
Sofern die Versicherung steuerlich anzuerkennen ist, liegt bereits der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung nicht vor.
c) Subjektiver Tatbestand
Rz. 1713
Sollte die Versicherung im Einzelfall steuerlich nicht anerkannt werden, ist zu prüfen, ob die Beschuldigten vorsätzlich (Steuerhinterziehung nach § 370 AO = Straftat) bzw. leichtfertig (leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO = Ordnungswidrigkeit) gehandelt haben. Nicht wenige Kunden dürften ernsthaft auf die (i.d.R. auch zutreffenden) Angaben der ausländischen Banken/Versicherungen vertraut haben, dass die Erträge erst bei Auszahlung der Versicherung zu versteuern sind. Das gilt erst recht, wenn die Finanzverwaltung versucht, die steuerliche Anerkennung mit zweifelhaften Argumenten – wie der unzureichenden Abdeckung von biometrischen Risiken – zu versagen. Vor dem Hintergrund, dass diesbezüglich schon steuerlich keine gefestigte Rspr. existiert, stellt sich strafrechtlich ferner die Frage nach der Einhaltung des Bestimmtheitsgebotes (s. Rz. 20) des Art. 103 Abs. 2 GG und ob bei einem steuerlichen Laien überhaupt Vorsatz angenommen werden kann. Zum Vorsatz gehört nach zutreffender Ansicht auch das Vorstellungsbild (zumindest aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre), dass ein Steueranspruch besteht. Sonst liegt ein Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB vor. So die zutreffende Ansicht der bisher noch herrschenden Steueranspruchstheorie Nicht zu verkennen ist aber, dass die Abgrenzung des Vorsatzes zur Leichtfertigkeit vor allem wegen der Möglichkeit des Eventualvorsatzes nicht einfach ist.
Meines Erachtens ist ferner insbesondere hinsichtlich des Mindesttodesfallschutzes bis zum 31.3.2009 dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht Genüge getan, da sich dieser nicht aus dem Gesetz, sondern lediglich aus Verwaltungsvorschriften ergibt.
d) Selbstanzeige
Rz. 1714
Sollte dennoch eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO vorliegen und diese noch nicht entdeckt sein oder der Betroffene noch keine Kenntnis hiervon haben und kein Fall des "Rechnenmüssens" vorliegen (dazu § 371 Rz. 629 ff. zur Tatentdeckung), so besteht noch die Möglichkeit durch eine Selbstanzeige vollständig straffrei auszugehen. Kritisch dürfte in diesem Zusammenhang sein, wenn Banken/Versicherungen ihre Kunden telefonisch darüber informiert haben, dass Daten "abhandengekommen" sind. Die Fahndungsbehörden müssen aber – wie in § 371 Rz. 725 ausgeführt – beweisen, dass gerade der betroffene Kunde von der Tatentdeckung Kenntnis hatte. Nach neueren Urteilen soll unter Umständen jedenfalls Presseberichterstattung dazu führen können, dass die Betroffenen von der Tatentdeckung ihrer Tat Kenntnis haben (s. § 371 Rz. 735).
e) Berichtigungspflicht nach § 153 AO
aa) Voraussetzungen der Berichtigungspflicht nach § 153 AO
Rz. 1715
Gesehen werden muss, dass Mandanten, die sich zunächst nicht strafrechtlich relevant verhalten haben, weil sie z.B. nicht vorsätzlich Steuern hinterzogen haben, nachträglich in eine Strafbarkeit wegen Verletzung von § 153 AO "hineinwachsen" können (s. Rz. 334 sowie 1517.4). Nach § 153 Abs. 1 Satz 1 AO entsteht eine Korrekturpflicht, wenn (vereinfacht) folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
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1. unrichtige oder unvollständige Steuererklärung des Stpfl., |
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2. daraus resultierende Steuerverkürzung, |
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3. nachträgliches Erkennen (positive Kenntnis) von 1. und 2. und |
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4. Nichtablauf der Festsetzungsfrist für die fehlerhafte Veranlagung. |
bb) Rechtsfolge steuerrechtlich
Rz. 1716
Rechtsfolge des § 153 AO ist das Vorliegen einer Anzeige- und einer Berichtigungspflicht. Der Stpfl. (oder sein Rechtsnachfolger) hat (steuerrechtlich) unverzüglich anzuzeigen (1. Stufe), dass eine unrichtige Erklärung abgegeben worden ist. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) alsbald nach Erkennen des Mangels. Die zur Verfügung stehende Zeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, namentlich davon, ob die Korrektur des Fehlers komplizierte Berechnungen erfordert oder ob die einfache Mitteilung einer einzelnen Tatsache g...