Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) Einleitung
Rz. 1892
Kernprobleme für die Anwendbarkeit klassischer Ermittlungsmethoden auf Sachverhalte mit Bezug zu Kryptowährungen erwachsen zum einen aus der Dezentralität und der Pseudnoymität/Anonymität sowie aus der unklaren Rechtsnatur von Kryptowährungen. Zwar lassen sich Transaktionen bei den meisten Coins bis zur Entstehung des Coins durch das Mining zurückverfolgen. Eine Identifizierung von Personen setzt jedoch voraus, dass ein KYC-Prozess durchgeführt wurde. Diese sind bei den meisten Anbietern inzwischen der Regelfall, weshalb jedenfalls der Tausch zwischen Kryptowerten und Fiat-Währungen inzwischen deutlich besser nachzuvollziehen ist.
Rz. 1893
Auskunftsersuchen nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG, Bestandsanfragen der Kontoinhaber (Kundennamen) durch Herausgabeverlangen nach §§ 161, 95 StPO oder Durchsuchung in den Geschäftsräumen der Bank mit Beschlagnahme der Bestandsdaten nach §§ 103, 105, 94 StPO lassen sich bei Kryptowährungen nicht einfach umsetzen, da sich die Exchanges oft im Ausland befinden. Fragestellungen im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit von grenzüberschreitenden Ermittlungen auf fremdem Hoheitsgebiet erwachsen sowohl aus der Dezentralität von Blockchains, haben aber auch bei Maßnahmen, die sich gegen "traditionell" organisierte Akteure (wie zentrale Börsen), die fremden Jurisdiktionen unterstehen, Relevanz. Diese Problemkreise sind bereits aus der Diskussion um den strafprozessualen Zugriff auf Cloud-Daten bekannt, bei denen der genaue Speicherort bzw., aufgrund der Speicherpolitik der Anbieter, die Speicherorte der jeweiligen Daten nicht nachvollziehbar sind. Aufgrund der immer noch umständlichen und langwierigen Rechtshilfeverfahren behelfen sich die Ermittlungsbehörden teilweise mit "pragmatischen Methoden" und Argumentationen nach amerikanischem Vorbild. Neben bereits bestehenden unions- und völkerrechtlichen Regelungen existieren Initiativen innerhalb der EU und auch im Verhältnis zu den USA, um der bisher bestehenden Rechtsunsicherheit und Ineffizienz abzuhelfen. Die am 13.6.2023 vom Europäischen Parlament verabschiedete E-Evidence-VO ermöglicht es den Ermittlungsbehörden, Daten direkt beim Internetprovider abzufragen. Neben diesen strafrechtlichen Regularien zu grenzüberschreitenden Erlangung von Daten bestehen inzwischen konkret auf Krypto-Werte abzielende Regulierungs- und Informationsmechanismen.
b) Sammelauskunftsersuchen
Rz. 1894
Für die Finanzbehörden besteht zunächst die Möglichkeit der Ermittlung und Überprüfung von Kryptowährungsinhabern mithilfe von Sammelauskunftsersuchen. Hierbei handelt es sich um eine Anfrage von Informationen zu Steuerpflichtigen gegenüber einem Dritten, wobei bei Personengruppen durch bestimmte Kriterien eingegrenzt werden. In vielen Branchen geschieht dies schon mit geringem Verwaltungsaufwand dergestalt, dass Handelsplattformen oder Vermittlungsstellen kontaktiert werden, um Auskünfte zu erteilen. Für diese bereits durch die Rspr. gedeckte Praxis wurde mit § 93 Abs. 1a AO zum 25.6.2017 auch eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Seit Ende 2022 versenden nun die Landesfinanzbehörden an die bekannten Krypto-Handelsbörsen Sammelauskunfts- und Vorlageersuchen nach § 93 Abs. 1, § 97 und § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO. Daraufhin haben bereits die ersten Kryptobörsen entsprechende Daten an die Landesfinanzbehörde übermittelt, wobei die betroffenen Kunden hierüber vermutlich nicht informiert worden sind. Seit dem Frühjahr 2023 werden – insbesondere von den Landesfinanzbehörden NRW – Steuerpflichtige mit sog. "Goldene-Brücke-Schreiben" unter Hinweis auf die mit den Sammelauskunftsverfahren erlangten Informationen angeschrieben.
Rz. 1895
Voraussetzung ist jedoch, dass konkrete Anhaltspunkte hinsichtlich einer Steuerverkürzung aufgrund einer Prognoseentscheidung vorliegen; nicht möglich sind hingegen sog. "Ermittlungen ins Blaue hinein". Vor dem Hintergrund der Anonymität der Geschäftsabwicklung bei Kryptowährungen mit der Folge der Anreizmöglichkeit zur Steuerhinterziehung bejaht eine Literaturstimme das Vorliegen des hinreichenden Ermittlungsanlasses.
Rz. 1896
Sofern es sich um eine deutsche Handelsplattform handelt, besteht unzweifelhaft die Zuständigkeit der deutschen Finanzbehörden. Bei einer ausländischen Plattform ist hingegen entscheidend, ob im jeweiligen DBA die Möglichkeit des Sammelauskunftsersuchens bzw. der Gruppenanfrage vorgesehen ist. Bei einer Gruppenanfrage sind im Gegensatz zum Sammelauskunftsersuchen die betreffenden Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Anfrage noch nicht identifiziert; die Eingrenzung erfolgt durch bestimmte gemeinsame Merkmale der Gruppenmitglieder.
c) Ermittlungen in der Blockchain
Rz. 1897
Eine Rückverfolgung der individuellen Transaktionshistorie einer transparenten Blockchain ist technisch möglich. In diesem Zusammenhang hat sich bereits ein Markt entwickelt, welcher Werkzeuge...