Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1465
Anders als das heute geltende Teileinkünfteverfahren, das auch zu einer Vereinfachung der Strafzumessung geführt hat, erforderte das frühere Anrechnungsverfahren eine Berücksichtigung der Ausschüttungsbelastung im Rahmen der Strafzumessung: Die Anrechnung der Ausschüttungsbelastung auf die Einkommensteuer des Anteilseigners (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a.F.) minderte die Höhe des für die Strafzumessung maßgeblichen Betrags der verkürzten Einkommensteuer ebenso wie die bei der Kapitalertragsteuer anzurechnende Quellensteuer bei der Kapitalertragssteuerhinterziehung den Steuerschaden mindert.
Zur Anrechnung der Körperschaftssteuer bei der Ermittlung des tatbestandlichen Steuerschadens durch eine hinterzogene Einkommensteuer führte der BGH aus:
"Verurteilt der Tatrichter einen Angeklagten wegen einer als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH begangenen Körperschaftsteuerhinterziehung, so muß der Angeklagte bei der Ausurteilung der korrespondierenden Einkommensteuerhinterziehung – wegen der hier gebotenen Gesamtbetrachtung der begangenen Steuerhinterziehungen – strafzumessungsrechtlich so behandelt werden, als ob für die Gesellschaft steuerehrlich gehandelt wurde. Mithin ist bei der Bemessung des dem Angeklagten bei seiner Einkommensteuer strafrechtlich vorzuwerfenden Hinterziehungsbetrages einerseits zwar die Brutto-vGA (unter Einschluß der bei der Gesellschaft anfallenden Körperschaftsteuer) in Ansatz zu bringen, andererseits aber – fiktiv – der bei steuerehrlichem Verhalten der Gesellschaft beim Gesellschafter abzuziehende Körperschaftsteuerbetrag anzurechnen. Anderenfalls würde es zu einer steuerstrafrechtlich nicht hinnehmbaren Doppelbelastung des Angeklagten kommen (vgl. bereits BGH v. 24.1.1990 – 3 StR 290/89, wistra 1990, 193, 194)."
Mit Beschluss des BGH v. 20.12.2017 – 1 StR 464/17 hält der 1. Strafsenat trotz dessen das Anrechnungsverfahren abgelöst wurde, an der Rspr. hierzu fest. Im entschiedenen Fall waren die verheirateten Eheleute beide Gesellschafter einer GmbH und beschlossen gemeinsam, Einnahmen der GmbH nicht in deren steuerlichen Erklärungen (Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen) anzugeben und diese – auf verschleierten Wegen – auf private Konten zu transferieren. Das LG stellte ein Hinterziehungsvolumen hinsichtlich Unternehmens- und Einkommensteuer i.H.v. 1,8 Mio. EUR fest. Die Hinterziehung betraf die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2007. Hinsichtlich der Verurteilung wegen Einkommensteuerhinterziehung für die genannten Veranlagungszeiträume hob der BGH aufgrund der Revision der Angeklagten das Urteil des LG im Strafausspruch auf. Das LG habe bei der Verurteilung einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt und damit einer möglichen wirtschaftlichen Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits strafzumessungsrechtlich nicht hinreichend Rechnung getragen.
Als Ausgangspunkt für seine Entscheidung führt der 1. Strafsenat die oben genannte Rspr. des 5. Strafsenats zum früheren Anrechnungsverfahren an (s. Rz. 1429 ff.). Hiernach war unter Geltung des Anrechnungsverfahrens bei der Bemessung des einem angeklagten Gesellschafter strafrechtlich vorzuwerfenden Hinterziehungsbetrages einerseits zwar die vGA unter Einschluss der bei der Gesellschaft anfallenden Körperschaftsteuer in Ansatz zu bringen. Andererseits war aber – fiktiv – der bei steuerehrlichem Verhalten der Gesellschaft beim Gesellschafter abzuziehende Körperschaftsteuerbetrag anzurechnen, um eine "strafrechtlich nicht hinnehmbare Doppelbelastung" zu vermeiden. Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens war dies konsequent, da die Körperschaftsteuer – wäre sie nicht hinterzogen worden – bei der Einkommensteuer anzurechnen gewesen wäre. Zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Taten galt allerdings nicht mehr das Anrechnungsverfahren, sondern das Halbeinkünfteverfahren, was der 1. Strafsenat auch zutreffend feststellt:
"Das Landgericht hat zwar steuerrechtlich zutreffend auf der Ebene der Besteuerung der GmbH für die verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeiträume die verdeckten Gewinnausschüttungen nicht einkommensmindernd berücksichtigt (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) und für die Berechnung des Umfangs der Körperschaftsteuerhinterziehung das jeweils um die Gewinnausschüttungen gegenüber den erklärten Einkünften erhöhte Einkommen der Gesellschaft mit dem maßgeblichen Körperschaftsteuersatz (26,5 % für 2003 und 25 % ab 2004) zugrunde gelegt. Ebenfalls ohne Rechtsfehler sind bei der Berechnung der jeweiligen Einkommensteuer der angeklagten Eheleute die ihnen zugeflossenen verdeckten Gewinnausschüttungen entsprechend der für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2007 geltenden Fassung von § 3 Nr. 40 EStG (vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 11 Rz. 12; Levedag in Schmidt, EStG, 36. Aufl., § 3 Rz. 137) nach dem Halbeinkünfteverfahren lediglich hälftig als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden. Die gegenüber dem früheren Rech...