Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
aa) Begriff des Steuervorteils
Rz. 425
Der in jeder Verkürzung von Steuern für den Täter oder einen Dritten liegende Vorteil ist bereits durch die erste Erfolgsalternative des § 370 Abs. 1 AO erfasst (s. Rz. 373); eine sinnvolle Definition des Steuervorteils muss demnach darüber hinausgehen. Durch § 370 Abs. 4 Satz 2 AO wird immerhin die früher umstrittene Frage geklärt, ob "auch Steuervergütungen" Steuervorteile sind, also auch die Fälle als Steuerhinterziehung strafbar sind, in denen der Täter im Ergebnis zu Unrecht Vermögenswerte vom Staat erhält (s. Rz. 437). Zum Feststellungsbescheid s. Rz. 405 ff. Bei einer Steuererstattung wird dem Stpfl. zuviel gezahlte Steuer zurückgezahlt. Ist die Erstattung aber Folge einer unrichtigen, zu niedrigen Steuerfestsetzung, liegt schon eine Steuerverkürzung vor. Wird unabhängig von der Steuerfestsetzung über anzurechnende Zahlungen im Erhebungsverfahren getäuscht, ist ein Steuervorteil erlangt.
Rz. 426
Einigkeit besteht zudem darin, dass es sich um (vermögenswerte) Vergünstigungen spezifisch steuerlicher Art handeln muss und sonstige Vermögensvorteile nicht tatbestandsmäßig sind. Denn werden Letztere unrechtmäßig erschlichen oder beantragt, sind Betrug (§ 263 StGB) oder Subventionsbetrug (§ 264 StGB) einschlägig. Der BGH nimmt einen Vorteil i.S.d. § 370 AO dann an, wenn es sich um einen Vorteil spezifisch steuerlicher Art handelt, der auf dem Tätigwerden der FinB beruht. Ein Vorteil soll dem Bereich des Steuerrechts zuzuordnen sein, wenn er den Ertrag einer Steuer mindert und dies auf der Anwendung eines Steuergesetzes beruht. Das führt zurück zur Definition der Steuer in § 3 Abs. 1 Satz 1 AO.
Rz. 427
Der Umstand, dass viele Steuervergünstigungen nur auf Antrag gewährt werden, bietet kein sicheres Abgrenzungskriterium. Gewinnmindernde Belastungen des Steuerschuldners werden etwa nur berücksichtigt, wenn und soweit der Stpfl. sie ausdrücklich geltend macht. Das erfolgreiche Vortäuschen solcher Belastungen wird aber ganz allgemein nicht als Erlangung eines Steuervorteils, sondern als durch unrichtige Angaben bewirkte Steuerverkürzung angesehen. Außerdem gibt es Steuervorteile, die auch ohne Antrag von Amts wegen gewährt werden können, wenn nur die Steuerbehörde davon Kenntnis hat (z.B. die Anwendung des Splitting-Tarifs nach § 32a Abs. 5 i.V.m. § 26 EStG). Ein (eigenständiger) Vorteil liegt aber regelmäßig dann vor, wenn er durch selbständigen Bescheid gewährt wird. Zum Feststellungsbescheid als Steuervorteil s. Rz. 406 f., 436.
Rz. 428
Aus einem bloßen Untätigsein der FinB, das nicht vom Willen getragen ist, über den Steueranspruch zu verfügen, z.B. eine Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung anzuerkennen, ergibt sich regelmäßig kein Steuervorteil i.S.d. § 370 Abs. 1 AO. Wird die FinB dagegen bewusst nicht tätig, kann darin ein konkludenter begünstigender Verwaltungsakt liegen. Anders ist das Untätigsein der FinB auch in den Fällen zu werten, in denen sie infolge falscher oder pflichtwidrig unterbliebener Angaben dem Stpfl. einen diesem bereits gewährten Vorteil weiter belässt oder eine belastende Verfügung unterlässt. Dazu gehört auch, wenn ein bereits eingetretener Verkürzungserfolg nicht rückgängig gemacht wird, insb. als Folge des Unterlassens der nach § 153 Abs. 1 AO gebotenen Berichtigung (s. Rz. 336, 350).
Rz. 429
Die Abgrenzung steuerlicher Vorteile kann insb. zu den Subventionen nach § 264 StGB (vgl. die Legaldefinition in § 264 Abs. 8 StGB) schwierig sein. Auch die Subvention ist wie die Steuer dadurch gekennzeichnet, dass sie ohne marktmäßige Gegenleistung erbracht wird. Zum Teil hat der Gesetzgeber allerdings ausdrücklich festgelegt, welche Strafnorm einschlägig sein soll. So wird für einzelne Prämien und Zulagen die entsprechende Anwendung des § 370 AO angeordnet. Hierunter fallen nach § 14 Abs. 3 des 5. VermBG die Arbeitnehmersparzulage nach § 13 des 5. VermBG, nach § 29a BerlinFG die Arbeitnehmerzulage i.S.d. § 28 BerlinFG, nach § 5a Abs. 2 BergPG die Bergmannsprämie nach dem Bergmannsprämiengesetz (bis zum 31.12.2011) und gem. § 8 Abs. 2 WoPG die Wohnungsbauprämie nach dem Wohnungsbauprämiengesetz.
Rz. 430
§§ 12, 35 MOG, die für bestimmte Abgaben im Bereich der EU die Strafvorschriften der AO für entsprechend anwendbar erklären, verdrängen ebenfalls § 264 StGB zugunsten der §§ 370 ff. AO. § 12 Abs. 1 Satz MOG erfasst allein Abgaben zu Marktordnungszwecken, nicht aber Erstattungen (§ 5 MOG), die bei der Ausfuhr von Marktordnungswaren gewährt werden. Streitig ist, ob Ausfuhrerstattungen als Subventionen i.S.d. § 264 StGB anzusehen sind. Bei der Eigenheimzulage nach § 15 EigZulG handelt es sich nicht um einen Steuervorteil, sondern um einen Vermögensvorteil i.S.d. § 263 StGB; §§ 71, 169 Abs. 2 Satz AO gelten somit nicht.
Rz. 431
Auch wenn eine Leistung gesetzlich nicht als Steuervorteil i.S.d. § 370 Abs. 1 AO eingeordnet wird, wird zum Teil trotzd...