Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 701
Aus den soeben genannten Abgrenzungskriterien (s. Rz. 700) folgt, dass bei der Steuerhinterziehung durch positives Tun in Bezug auf Veranlagungssteuern (s. Rz. 400) das Versuchsstadium frühestens (s. Rz. 707) dann erreicht ist, wenn eine Steuererklärung mit unrichtigen oder unvollständigen Angaben bei der zuständigen FinB eingereicht wird. Es muss sich aber nicht notwendig um förmliche Steuererklärungen handeln, auch sonstige Angaben, Anzeigen, Mitteilungen und Antworten auf Auskunftsersuchen, die dem FA gegenüber gemacht werden, können die Versuchsstrafbarkeit begründen. Das Gleiche gilt für den auf die Erlangung eines Steuervorteils gerichteten Versuch (s. dazu Rz. 424 ff.). Sollen in Bezug auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben (s. Rz. 704, 707), die auch Veranlagungssteuern sind (Art. 101 Abs. 1 UZK; s. auch Rz. 400), an der Grenze bzw. bei der Zollabfertigungsstelle falsche Angaben in der Eingangs- oder Zollanmeldung (Art. 127, 162 ff. UZK) gemacht werden, kann der Versuch dementsprechend nicht schon dann beginnen, wenn sich der Täter der Grenze nähert, sondern erst mit dem Beginn, die unrichtigen Angaben zu machen.
Rz. 702
Bei den Anmeldesteuern (Fälligkeitssteuern), bei denen der Stpfl. die Steuer selbst zu berechnen hat und bei denen die Steueranmeldung (§ 150 Abs. 1 Satz 2 AO) der Festsetzung der Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO), tritt mit dem Eingang der Steueranmeldung bei der FinB schon die Vollendung der Tat ein; nur in den Fällen des Satz 2 ist die Zustimmung der FinB erforderlich (s. Rz. 408 f.). Unmittelbares Ansetzen zur Tat nach § 168 Satz 1 AO liegt deshalb schon mit der dem Eingang unmittelbar vorgelagerten Handlung vor, durch die die Anmeldung der FinB zugänglich gemacht werden soll. Auch hier reicht eine unrichtige Buchführung oder das Erstellen falscher Belege wie bei den Veranlagungssteuern aber nicht aus (s. Rz. 703).
Beispiel
Der Stpfl. steht vor dem Gebäude der FinB und hebt die Hand, um seine falsche Umsatzsteuervoranmeldung in den Briefkasten des FA zu werfen. Mit Zugang der Anmeldung ist die Tat vollendet. Der Bereich des strafbaren Versuchs muss also zeitlich vorher beginnen. Man kann darüber streiten, ob die Hand mit der Anmeldung bereits den Einwurfsschlitz des Briefkastens erreicht haben muss oder ob es ausreicht, wenn der Stpfl. mit entsprechendem Vorsatz auf den Briefkasten zugeht. Praktische Bedeutung dürfte dem nicht zukommen. Wird die Voranmeldung verspätet abgegeben, greift § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.
Wird mit der Anmeldung eine Steuervergütung begehrt, ist hingegen nach § 168 Satz 2 AO die Zustimmung der FinB erforderlich (s. Rz. 408 f.). Hier beginnt der Versuch frühestens mit dem Eingang der entsprechenden Erklärung bei der FinB (s. Rz. 701, 705 ff.).
Rz. 703
Die Einreichung falscher Urkunden zur Erlangung von Steuernummern, unter denen später unzutreffende Steuererklärungen abgegeben werden sollen, ist deshalb bloße Vorbereitungshandlung. Ebenso wenig reicht eine unrichtige Buchführung aus, mit der eine spätere Steuererklärung vorbereitet wird. Das gilt – entgegen der Auffassung des BGH – für den Versuch der Hinterziehung von Einkommensteuer auch dann, wenn unzutreffende Buchungen durchgeführt und bereits falsche Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht wurden. Denn es trifft nicht zu, dass bereits durch die falschen Umsatzsteuervoranmeldungen ein Zwang begründet würde, die falschen Angaben später auch in der Einkommensteuererklärung zu wiederholen, da genauso eine Selbstanzeige nach § 371 AO erstattet werden oder der Täter sonst in die Steuerehrlichkeit zurückkehren kann. Vor Abgabe (s. Rz. 701) der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung besteht durch diese Tatalternative keinerlei Gefahr für das geschützte Rechtsgut.
Rz. 704
Bei Veranlagungssteuern (zu den Besonderheiten bei den Anmeldesteuern s. Rz. 702) zählen also alle Handlungen, die der Täter vor dem Abgabetermin einer Steuererklärung oder Steueranmeldung mit dem Ziel einer späteren Steuerverkürzung unternimmt, insb. die Erstellung einer falschen Buchführung oder von Bilanzen, falsche Inventuren, das Ausstellen falscher Belege, die Absprache mit Geschäftspartnern über die Ausstellung von Scheinrechnungen, die Vornahme von Schwarzgeschäften oder der Transfer von Schwarzgeld ins Ausland zur noch nicht mit Strafe (s. aber § 379 AO) bedrohten Vorbereitung einer späteren Steuerhinterziehung. Das Bereithalten der unrichtigen Bücher zur jederzeitigen Einsichtnahme durch die FinB ist deshalb ebenfalls straflose Vorbereitungshandlung. Erst mit dem Erscheinen des Prüfers und der Vorlage der Unterlagen beginnt der Täuschungsversuch.
Beispiele
- Der Täter lagerte zunächst große Mengen von Zigaretten chinesischen Ursprungs im Freihafen. Er wollte die Ware unter Hinterziehung der Einfuhrabgaben ins Inland verbringen. Bei der zollamtlichen Abfertigung legte er eine Anmeldung über "unauffällige" Handelsware v...