Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
aa) Grundsatz
Rz. 107
Unproblematisch liegt unmittelbare Täterschaft dann vor, wenn der Täter selbst die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen erstellt – etwa das Steuererklärungsformular ausfüllt –, es eigenhändig unterschreibt und die Erklärung sodann als "seine" Erklärung der FinB zugänglich macht. Der Täter macht dann in eigener Person alles, was er zur Herbeiführung des Tatbestandserfolgs tun kann, da die Steuerfestsetzung durch die Behörde erfolgt.
Rz. 107.1
Es wird allerdings schon dann schwieriger zu bestimmen, ob und für wen unmittelbare Täterschaft zu bejahen ist, wenn mehrere Personen in das Geschehen eingeschaltet sind, insb. dann, wenn im Rahmen eines Unternehmens arbeitsteiliges Zusammenwirken mehrerer Personen vorliegt oder aber die Angaben durch einen steuerlichen Berater vorbereitet werden.
Unmittelbarer Täter ist nur, wer bestimmt, für wen und mit welchem Inhalt die Erklärung in den Rechtsverkehr gelangt.
"Diese Voraussetzungen [der eigenhändigen Tatbegehung] waren nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Der Angeklagte hatte nicht nur die Daten für die Umsatzsteuervoranmeldungen eigenständig zusammengestellt und war für die Kommunikation mit den Finanzbehörden zuständig, sondern hatte auch die alleinige Tatherrschaft über die elektronische Einreichung der inhaltlich unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen [...] Ihm sind die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen daher als eigene, für die X abgegebene, Erklärungen zuzurechnen".
bb) Herrschaft über den Inhalt der Erklärung
Rz. 107.2
Für die Annahme unmittelbarer Täterschaft ist entscheidend, dass der Täter die Angaben inhaltlich bestimmt, die in den Rechtsverkehr gelangen, so dass sie ihm als Urheber zugerechnet werden können. Für das Bejahen der Tathandlung reicht es deshalb nicht aus, dass jemand die falsche Erklärung nur tatsächlich dem Empfänger (körperlich) überbringt oder ihm sonst zugänglich macht.
Beispiel
Der Bote wirft die unrichtige Angaben enthaltende Einkommensteuererklärung seines Chefs C, die dieser erstellt und vorschriftsmäßig unterschrieben hat, in den Briefkasten der FinB, wohl wissend, dass C falsche Angaben über die Höhe seiner gewerblichen Einkünfte gemacht hat.
Man kann den Boten nicht als denjenigen ansehen, der gegenüber der FinB Angaben macht. Der Bote überbringt vielmehr die für ihn fremde Erklärung seines Arbeitgebers, erklärt jedoch selber nichts. Das Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die FinB an Angaben über die steuerlichen Verhältnisse des Arbeitgebers durch den Boten keinerlei rechtliches Interesse haben kann. Wäre die Erklärung somit als eine des Boten anzusehen, wäre sie rechtlich irrelevant. Die Beziehung zwischen Erklärung und Erklärendem ist insofern eine rechtliche Beziehung, die nicht durch eine tatsächliche Beziehung (die Übergabe der Erklärung) ersetzt werden kann. Genauso wenig ist der Drucker eines Prospektes derjenige, der im Prospekt falsche Angaben über eine Kapitalanlage i.S.d. § 264a StGB macht. Der Prüfungsgehilfe berichtet nicht über das Ergebnis der Prüfung i.S.d. § 332 HGB, sondern der Prüfer. Falsche Angaben macht also nur, wer die Entscheidung über den Inhalt der Erklärung trifft (s. Rz. 98.1). Diese Person steht hinter der Erklärung und sie ist ihr insofern als eigene zuzurechnen; sie ist ihr Urheber.
Rz. 107.3
Die Entscheidungsmacht über die Erklärung kommt dabei zunächst demjenigen zu, der sie als seine Erklärung zur Einführung in den Rechtsverkehr kennzeichnet und für die er deshalb im Rechtsverkehr die Garantie übernehmen will und muss. Es geht also nicht darum, wer die falschen Angaben körperlich fertigt – etwa die Steuerklärung ausfüllt –, sondern darum, wer die Erklärung als seine Erklärung in den Rechtsverkehr gibt.
Beispiel
Die Sekretärin füllt auf Anweisung ihres Chefs C dessen Steuerklärungsformular unrichtig aus; C unterschreibt die Erklärung und reicht sie bei der FinB ein.
Die Sekretärin macht in ihrer Person keine unrichtigen Angaben; sie ist also nicht Täterin einer Steuerhinterziehung. Die Entscheidung über den Inhalt der Erklärung trifft vielmehr allein C. Das wird schon dadurch verdeutlicht, dass dieser den Taterfolg ohne weiteres dadurch abwenden könnte, dass er die Erklärung nicht unterschreibt oder einreicht. Damit vergleichbar wird auch bei der Urkundenfälschung nach § 267 StGB nicht als Aussteller einer Urkunde angesehen, wer körperlich den Skripturakt vornimmt, sondern derjenige, dem die Erklärung im Rechtsverkehr zugerechnet wird.
Rz. 107.4
Es geht deshalb auch nicht darum, ...