Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 447
Das Gleiche wie für den Vorsteuerabzug (s. Rz. 446) gilt für das Vorliegen der Kapitalertragsteuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 EStG als Voraussetzung der Anrechnung der Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG (s. Rz. 233 und 404). Das folgt aus der ausdrücklichen Regelung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG, wonach keine Anrechnung erfolgt, wenn die entsprechende Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist:
„Wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, wurde infolge der Nichtangabe der Einnahmen aus Tafelgeschäften und bestimmten Einnahmen aus anderen Kapitalanlagen die Einkommensteuer im Bescheid vom 23. Januar 1995 zu niedrig festgesetzt. Die Streitfrage, ob trotz der zu niedrigen Festsetzung das Vorliegen einer Verkürzung zu verneinen ist, wenn anrechenbare Kapitalertragsteuerbeträge an den Fiskus abgeführt wurden, bedarf im Streitfall keiner Klärung [... Anm.: s. dazu Rz. 404]. Denn eine derartige steuerstrafrechtliche Verrechnung käme allenfalls unter der Prämisse in Betracht, dass die steuerrechtlichen Anrechnungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Abgabe der unvollständigen Steuererklärung sämtlich erfüllt sind. Ist das nicht der Fall, dann steht dem Fiskus die auf die nicht erklärten Kapitaleinkünfte festzusetzende Steuer ‚ungeschmälert‘, d.h. ohne Berücksichtigung einer eventuell abgeführten Kapitalertragsteuer, zu. Im Streitfall sind die Anrechnungsvoraussetzungen objektiv nicht erfüllt gewesen. Daher wurde die auf die nicht erklärten Kapitaleinkünfte festzusetzende Steuer verkürzt.
(2) Nach der Rechtsprechung des BGH sind anrechenbare Abzugsteuerbeträge steuerstrafrechtlich auf der Tatbestandsebene allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die steuerrechtlichen Anrechnungsvoraussetzungen vorliegen. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn die Bescheinigungen über Körperschaftsteuer nach § 44 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG a.F.) im Zeitpunkt der Tatbegehung nicht vorliegen. Die Abzugsteuerbeträge, die nicht bescheinigt wurden, sind weder geeignet, den tatbestandlichen Erfolg der Steuerhinterziehung entfallen zu lassen noch die Strafzumessung zu Gunsten des Einkommensteuerhinterziehers zu beeinflussen (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.2005 – 5 StR 301/04, wistra 2005, 144; BGH, Beschl. v. 7.11.2006 – 5 StR 435/06, wistra 2007, 68, jeweils zur Anrechnung von Körperschaftsteuer bei Einkommensteuerhinterziehungen im Rahmen des früheren Anrechnungsverfahrens). Fehlen Nachweise oder Bescheinigungen, deren Vorliegen sachlich-rechtliche Voraussetzung einer Steuernorm sind, und weiß der Steuerpflichtige, dass er diese Bescheinigungen benötigt, um die Voraussetzungen einer bestimmten begünstigenden Regelung erfüllen zu können, so begeht er eine Steuerhinterziehung, wenn er diese steuerliche Regelung beansprucht und dabei das Nichtvorliegen der erforderlichen Bescheinigungen verschweigt [Anm: s. zur Tathandlung a.A. Rz. 217] (vgl. BGH, Urt. v. 8.2.1983 – 1 StR 765/82, BGHSt 31, 248, wistra 1983, 115; BGH, Beschl. v. 4.1.1989 – 3 StR. 415/88, wistra 1989, 190, jeweils zum Buchnachweis für die Steuerbefreiung der Ausfuhr gemäß § 6 Abs. 4 UStG; BGH, Urt. v. 12.5.2005 – 5 StR 36/05, wistra 2005, 308, BFH/NV 2005, Beilage 4, 400; BayObLG v. 26.10.1987 – 4 ST 164/87, 1 StZ 1988, 313, zum Rechnungsbesitz beim Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG).
(3) Diese Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, hat im Streitfall zur Folge, dass die von der Klägerin behauptete, aber nicht nachgewiesene Abführung des Zinsabschlags in Höhe von 35 % der Erträge aus den Tafelgeschäften steuerstrafrechtlich nicht zu berücksichtigen ist. Denn die Kläger waren unstreitig nie im Besitz von Bescheinigungen der Kapitalertragsteuer gemäß § 45a Abs. 2 EStG, die materiell-rechtliche Voraussetzung der Steueranrechnung sind. Eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer war somit nicht möglich.”