Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
(1) Einschränkung der Erklärungspflicht
Rz. 306
Auch wenn man den Nemo-tenetur-Grundsatz dahin deuten will, dass in seinen Schutzbereich jeglicher Zwang zu einer strafrechtlich relevanten Selbstbelastung fällt (s. Rz. 305.1 f.), folgt daraus noch nicht, dass bei einem solchen Zwang schon immer die Unzumutbarkeit anzunehmen wäre, steuerlich erhebliche Tatsachen zu offenbaren, und die strafrechtliche Pflicht des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO suspendiert wäre. Der Hinweis darauf, der Betroffene könne konkrete Angaben über die Herkunft seiner Einkünfte verweigern, ist jedoch insbesondere im Hinblick auf § 31b AO kaum geeignet, das Risiko der Selbstbelastung auszuschließen. Nach Auffassung des BGH besteht aber trotz Gefahr der Selbstbelastung wegen einer Allgemeinstraftat (in casu wegen eines Bestechungsdelikts) die steuerliche Erklärungspflicht fort, wenn auch nur in reduziertem Umfang (s. dazu § 393 Rz. 208). Hierzu der BGH:
"Eine solche Reduzierung des Erklärungsumfangs könnte etwa darin bestehen, dass die Einkünfte nur betragsmäßig, nicht aber unter genauer Bezeichnung der Einkunftsquelle zu benennen sein werden."
(2) Wirksame Selbstanzeige
Rz. 307
Keinen Grund für eine Einschränkung der strafbewehrten Steuererklärungspflicht gibt es für die Fälle, in denen die pflichtgemäße Offenbarung der steuerlich erheblichen Tatsachen für eine bereits begangene Steuerstraftat gleichzeitig eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO ist (zu Bedenken s. § 393 Rz. 91). Führt die pflichtgemäße Offenbarung als Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung zunächst unterlassener oder falscher Angaben zur Straffreiheit für diese frühere Tat, gibt es keine Straftat mehr, wegen derer man verfolgt werden könnte und derer man sich selbst bezichtigen müsste. Gleiches gilt, wenn von der Strafverfolgung nach § 398a AO abzusehen ist. Das setzt freilich nach § 371 Abs. 3, § 398a Abs. 1 Nr. 1 AO weiter voraus, dass hinterzogene Steuern nebst Zinsen innerhalb einer angemessenen Frist nachentrichtet werden und nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO zusätzlich ein Geldbetrag i.H.v. bis zu 20 % der hinterzogenen Steuer gezahlt wird (s. Rz. 307). Können diese Leistungen erbracht werden, entsteht durch die über § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO gesicherte Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten kein Zwang zur Selbstbelastung. Der Stpfl. ist nicht dem Dilemma ausgesetzt, sich entweder dadurch strafbar zu machen, dass die steuerlich gebotenen Angaben unterbleiben, oder wegen der bereits begangenen Straftat strafrechtlich sanktioniert zu werden. Die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO ändert daran nichts. Ist dem Stpfl. die Nachentrichtung unmöglich, kann ein Verwendungsverbot (s. Rz. 308) das Risiko der Selbstbelastung beseitigen.
Beispiel
A hat für das abgelaufene Geschäftsjahr erstmals unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) abgegeben. In seiner Jahresumsatzsteuererklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) gibt er den Jahresumsatz aber zutreffend an und berichtigt die Umsatzsteuervoranmeldungen. Die hinterzogenen Umsatzsteuern i.H.v. 10.000 EUR zahlt er nebst Zinsen nach. Die zutreffende Jahreserklärung führt nach § 371 AO zur Straffreiheit wegen der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen. Der durch § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründete Zwang, eine richtige Jahressteuererklärung abzugeben, ist deshalb kein Zwang zur Selbstbelastung. Zu den Fällen, in denen die Steuer nicht nachentrichtet werden kann, s. Rz. 308.
Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Versuchsstrafbarkeit für den Rücktritt nach § 24 Abs. 1 StGB. Sobald die Tat entdeckt oder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, scheiden die beiden Möglichkeiten, sich legal aus der Konfliktlage zu befreien, aber aus (vgl. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO; § 24 StGB).
(3) Verwendungsverbot
Rz. 308
Auch dann, wenn in der Erfüllung der steuerlichen Offenbarungspflichten keine wirksame Selbstanzeige einer sc...