Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
aa) Allgemeines
Rz. 1129
§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB ordnet die Einziehung (§§ 73 ff. StGB) und die Unbrauchbarmachung (§ 74d StGB) den sog. Maßnahmen zu. Unter dieser Sammelbezeichnung werden bestimmte Rechtsfolgen der Straftat zusammengefasst, die trotz unterschiedlicher Rechtsnatur teilweise nach gleichen Grundsätzen behandelt werden. Durch die Zusammenfassung unter den Obergriff der Maßnahme wird die Rechtsnatur der betreffenden Rechtsfolgen nicht berührt. Der Begriff Maßnahme hat nur eine ordnungstechnische Funktion und damit keine inhaltliche Eigenbedeutung.
Durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017, welches zum 1.7.2017 in Kraft trat, wurde das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vollständig neu gefasst. Neben zahlreichen Änderungen im materiellen Recht (§§ 73 ff. StGB) und prozessualen Recht (§§ 111b ff., §§ 430 ff., §§ 459g ff. StPO) wurde der bisherige Ausdruck "Verfall" durch den Begriff "Einziehung von Taterträgen" ersetzt.
bb) Einziehung von Taterträgen (§§ 73–73e StGB)
Schrifttum:
Bach, Das erlangte Etwas i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB bei einer Steuerhinterziehung, NZWiSt 2019, 62; Bittmann, Vom Annex zur Säule: Vermögensabschöpfung als 3. Spur des Strafrechts, NZWiSt 2016, 131; Greeve, Das neue Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, ZWH 2017, 277; Köhler, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, NStZ 2017, 497; Köllner/Mück, Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, NZI 2017, 593; Maciejewski/Schumacher, Die steuerrechtliche Behandlung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, DStR 2016, 2553; Maciejewski/Schumacher, Endlich eine (steuerrechtliche) Lösung? – Verbleibender Abstimmungsbedarf zwischen Straf- und Steuerrecht nach der Reform der Vermögensabschöpfung, DStR 2017, 2021; Madauß, Vermögensabschöpfung und Steuerstrafrecht – weiter streitige Einzelaspekte, NZWiSt 2019, 49; Möhrenschlager, Der Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, wistra 1986, 49; Mückenberger/Hinz, Die neue Vermögensabschöpfung im Steuerstrafrecht, BB 2018, 1435; Peters, Erste Praxiserfahrungen nach der Neuregelung der Vermögensabschöpfung im Steuerstrafrecht, AO-StB 2018, 144; Reh, Ausgewählte Probleme des Vermögensabschöpfungsrechts im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung und der Steuerhehlerei, wistra 2018, 414; Rettke, Einziehung und Vermögensarrest im Steuerstrafverfahren, wistra 2017, 417; Schilling/Corsten/Hübner, Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, StraFo 2017, 305; Trüg, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, NJW 2017, 1913.
(1) Zweck, Bedeutung und Rechtsnatur
Rz. 1130
Zweck des Rechts der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist, dem Täter die Früchte des deliktischen Tuns zu entziehen. Die Einziehung von Taterträgen (vormals: Verfall) zielt darauf ab, das durch eine rechtswidrige Tat Erlangte, bei Tätern und Teilnehmern sowie unter den Voraussetzungen des § 73b StGB bei anderen einzuziehen. Deliktisch erlangte Vermögenswerte sollen dem Straftäter nicht dauerhaft verbleiben.
Rz. 1130.1
Die §§ 73 ff. StGB wurden ursprünglich mit Wirkung zum 1.1.1975 durch das 2. StrRG eingefügt, da die Einführung des Tagessatzsystems bei der Geldstrafe für die Gewinnabschöpfung keinen Raum mehr ließ. Die ursprüngliche Regelung, insb. die Terminologie des "Vermögensvorteils", hatte sich aufgrund der mit der Saldierung verbundenen Schwierigkeiten nicht bewährt, so dass durch das AWG/StGB-ÄndG vom 28.2.1992 der Begriff "Vermögensvorteil" durch den Terminus "etwas" ersetzt wurde. Hiermit wurde nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers statt des zuvor maßgeblichen Nettoprinzips das Bruttoprinzip eingeführt, bei dem der Abzug der vom Täter für die Gewinnerzielung gemachten Aufwendungen ausgeschlossen ist.
Rz. 1130.2
Das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wurde durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 vollständig neu gefasst (näher dazu Rz. 1130.4 sowie § 399 Rz. 53 ff.). Dieses trat zum 1.7.2017 in Kraft. Die Meistbegünstigungsklausel des § 2 Abs. 5, Abs. 3 StGB findet aufgrund der Regelung in Art. 316h EGStGB keine Anwendung. Demnach ist das ab dem 1.7.2017 geltende Recht auch auf Taten anzuwenden, die vor dem 1.7.2017 begangen wurden, wenn über die Anordnung der Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages nach diesem Zeitpunkt entschieden wird. Die Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 sind nicht in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1.7.2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.
Rz. 1130.3
Die Rechtsnatur des Verfalls bzw. nunmehr der Einziehung von Taterträgen ist seit jeher umstritten. Nach früher h.M....