Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1532
An den zollschuldrechtlichen Folgen, nämlich der Zollschuldentstehung nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK wegen vorschriftswidrigen Verbringens, ändert sich deswegen nichts. Ein Schmuggler muss nicht nur mit seiner Bestrafung und dem Verlust der geschmuggelten Waren rechnen, sondern außerdem auch die darauf entfallenden Einfuhrabgaben entrichten (Art. 79 Abs. 3 Buchst. a UZK).
So setzt eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Schmuggels gem. § 373 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AO voraus, dass die originäre Steuerschuld bereits zuvor entstanden war, z.B. mittels Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung.
Der BFH (im nachst. Beispiel) hat entschieden, dass Einfuhrabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer, Tabaksteuer) nicht erlöschen, wenn Zigaretten, die in das Zollgebiet der EU eingeschmuggelt worden sind, bei dem Entladen aus dem Schmuggelfahrzeug am Bestimmungsort beschlagnahmt und später eingezogen werden.
Beispiel 35
Der Kläger war als Fahrer eines Sattelzugs von Polen kommend in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingereist. Hinter einer Tarnladung aus Sägespänen beförderte er 4.000.000 Stück (= 20.000 Stangen) unverzollte und unversteuerte Zigaretten, die er nicht zur Einfuhr anmeldete. Nach dem Passieren der Grenze setzte er seine Fahrt zu einer Werkstatthalle fort, in der die Zigaretten aus dem Lkw entladen werden sollten. Dort beobachteten Beamte des Zollfahndungsdienstes das Geschehen und nahmen den Kläger sowie weitere Tatbeteiligte fest, nachdem diese mit dem Entladen des Lkw begonnen hatten. Dabei wurden die geschmuggelten Zigaretten beschlagnahmt und später im Strafverfahren eingezogen. Zusätzlich zu der strafrechtlichen Verfolgung verlangte das zuständige Hauptzollamt vom Kläger und den anderen Tatbeteiligten die Zahlung der auf den Zigaretten lastenden Einfuhrabgaben von ca. 500.000 EUR.
Zu Recht, wie der BFH entschied. Bereits dadurch, dass die Zigaretten vorschriftswidrig, d.h. ohne die vorgeschriebene Anmeldung beim Zoll, in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wurden, entstanden die Einfuhrabgaben. Die Abgabenschulden waren auch nicht erloschen. Ein Erlöschen der Tabaksteuer durch Beschlagnahme und Einziehung der Zigaretten schied schon deshalb aus, weil § 21 Abs. 3 TabStG diesen Erlöschensgrund von seinem Verweis auf zollrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausnimmt. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer waren nach Art. 233 Buchst. d ZK (Art. 124 Abs. 1 Buchst. e UZK) i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 UStG ebenfalls nicht erloschen. Danach erlischt eine Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gem. Art. 202 ZK (Art. 79 Abs. 1 Buchst. a UZK) entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Die Beschlagnahme erfolgt nur dann "bei" dem vorschriftswidrigen Verbringen, wenn das Verbringen im Zeitpunkt der Beschlagnahme noch angedauert hat. Im Streitfall sei – so der BFH – das vorschriftswidrige Verbringen beim Zugriff der Zollfahndungsbeamten aber bereits beendet gewesen. Es komme jedenfalls nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs der Waren in den Wirtschaftskreislauf bzw. ihr "Zur-Ruhe-Kommen" im Anschluss an die grenzüberschreitende Beförderung an. Maßgeblich sei vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die Waren den Ort, an dem sie hätten ordnungsgemäß gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, spätestens aber der Zeitpunkt, zu dem sie ihren (ersten) Bestimmungsort im Zollgebiet erreicht haben. Die Beschlagnahme und Einziehung der Waren nach diesem Zeitpunkt führt nicht mehr zu einem Erlöschen der Zollschuld. Auch seien die Beamten nicht etwa zu einem früheren Eingreifen verpflichtet gewesen, um damit die Voraussetzung für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen.
Die zollschuldrechtliche Haftung gilt übrigens für jede Person, die sich in irgendeiner Form an dem vorschriftswidrigen Verbringen als Mittäter oder Gehilfe beteiligt (s. aber Rz. 1530.1).
Rz. 1532.1
Bei juristischen Personen als möglichen Zollschuldnern stellt sich die Frage, auf wessen Kenntnis abzustellen ist. Der Begriff "Person" beschränkt sich nicht auf natürliche Personen.
Wenn Tabakwaren in anderen als den in § 22 Abs. 1 TabStG genannten Fällen entgegen § 17 Abs. 1 TabStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht werden, entsteht die Tabaksteuer in dem Zeitpunkt, in dem die Tabakwaren erstmals zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden.
Beispiel 38
Bei einer Kontrolle des Fahrzeugs des K stellte der Zoll in einem doppelten Boden unter der Rückbank insgesamt 93.200 unversteuerte Zigaretten der Marke X mit ukrainischen Steuerzeichen fest. Der Mitreisende W bekannte sich vor Ort zu den Zigaretten. Aufgrund der Umstände des Aufgriffs sah das Hauptzollamt den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG als erfüllt an und setzte gegen K insgesamt 13.020,04 EUR Tabaksteuer fest. K berief sich darauf, er habe von den mitgeführten Zigaretten nichts gewusst.
K kann gleichwohl für die Steuer...