Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1031
Zu berücksichtigen sind des Weiteren die Gesinnung des Täters sowie der bei der Tat aufgewendete Wille. Unter Gesinnung i.S.d. § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB ist nicht die allgemeine Gesinnung des Täters, sondern die Einzeltatgesinnung zu verstehen. Im Steuerstrafrecht sind besondere Gesinnungen jedoch selten. Lediglich in Ausnahmefällen handelt der Täter aus politischen oder religiösen Überzeugungen heraus. Der bei der Tat aufgewendete Wille ist hingegen ein wichtiger Gesichtspunkt bei Steuerdelikten. Sowohl die Art der Tatausführung sowie der bei der Tat aufgewendete Wille können wesentliches Indiz für die kriminelle Energie des Täters sein wie z.B. sorgfältige Planung, besonders raffiniertes, professionelles und systematisches Vorgehen, langer Tatzeitraum, Angehörigkeit zur Führungsebene einer Bande, tägliches Vornehmen von Verschleierungshandlungen i.S.v. § 370 AO über viele Jahre hinweg, Unbeeindrucktlassen von Vorstrafen. So hat der BGH mit Urteil vom 25.4.2017 entschieden, dass das systematische Vorgehen im Rahmen eines fortgesetzt und bandenmäßig betriebenen Hinterziehungsmodells zur Verkürzung von Steuern in Millionenhöhe ein besonderes Maß krimineller Energie aufzeigt und daher zu Recht bei der Bemessung der Einzelstrafen in den Vordergrund gestellt wurde. Auch die Nutzung ausländischer Briefkastenfirmen oder intransparenter Treuhandverhältnisse kann als Ausdruck hoher krimineller Energie strafschärfend berücksichtigt werden. Aktivitäten, die von vornherein auf eine Schädigung des Steueraufkommens in großem Umfang ausgelegt waren, sind strafschärfend zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt für Tatbegehungen, bei denen das "Finanzamt als Bank" (so der BGH wörtlich) betrachtet worden sei oder der Täter die Steuerhinterziehung gar "als Gewerbe betrieben" hat. Strafschärfend ist ebenso zu berücksichtigen, wenn der Täter ein aufwendiges Täuschungssystem aufbaut, Sachverhalte systematisch verschleiert oder unrichtige oder verfälschte Belege zu Täuschungszwecken verwendet. Gleiches gilt für den Aufbau und das Betreiben besonderer, auf die Steuerhinterziehung gerichteter Unternehmensstrukturen. Solche Umstände seien regelmäßig gegeben bei anpassungsfähigen Hinterziehungssystemen, wie etwa den sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäften, bei Kettengeschäften unter Einschaltung sog. "Serviceunternehmen" und im Bereich der illegalen Arbeitnehmerüberlassungen.
Rz. 1031.1
Strafmildernd zu berücksichtigen sind z.B. die spontane Entscheidung zur Tat, ein kurzer Tatzeitraum sowie bloßes Mitläufertum, was vor allem bei Massendelikten wie dem Schmuggel gegeben sein kann. Auch die Beeinflussung durch Dritte kann die verbrecherische Willensstärke mindern. Im Hinblick auf das Prinzip gerechten Strafens, welches auch die gleichmäßige Behandlung aller Tatbeteiligten mitumfasst, kommt eine Strafmilderung für den Täter ebenfalls in Betracht, wenn Mittäter, die nach den Feststellungen des Tatgerichts die Hauptverantwortung für die im Zusammenhang mit der Tat stehenden Abläufe getragen und weitergehende wirtschaftliche Interessen verfolgt haben, bislang strafrechtlich nicht belangt worden sind. Hierzu führt der BGH im Fall einer Steuerhinterziehung durch verdeckte Gewinnausschüttung an den Bereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo) aus:
"Der neue Tatrichter wird bei der Strafzumessung zu beachten haben, dass eine Reihe von Personen, die im Bereich KoKo tätig waren und dort nach den Feststellungen die Hauptverantwortung für die gesamten Abläufe getragen haben, bisher strafrechtlich nicht belangt worden sind. Dies kann sich zwar nicht dahin auswirken, den Angeklagten straffrei zu stellen, da es Gleichheit im Unrecht nicht gibt. Wegen des Prinzips des gerechten Strafens, das auch die gleichmäßige Behandlung aller Tatbeteiligter mitumfasst (BGH v. 7.1.1992 – 5 StR 614/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23), wird der Tatrichter jedoch bei der Strafzumessung zu erwägen haben, dass es bisher – aus Gründen, die der Senat nicht kennt – ersichtlich nicht gelungen ist, das Geschehen in der Führungsebene des Bereichs Kommerzielle Koordinierung einer strafrechtlichen Klärung zuzuführen und Funktionsträger, die einen größeren Einfluss und Überblick sowie weitergehende wirtschaftliche Interessen hatten als der Angeklagte, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen."