Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1197
Einen "Gegenstand", der aus der Tat "herrührt" i.S.d. § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB, gibt es insoweit nicht. Die der Besteuerung zugrunde liegenden Erträge selbst sind bereits vor Begehung der Hinterziehung im Vermögen des Täters vorhanden und werden damit nicht aus der Tat "hervorgebracht", wie es § 261 StGB verlangt. Der Vorteil des Täters besteht in der Steuerersparnis, scil. den "ersparten Aufwendungen" i.S.d. § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, die der Täter ansonsten aus dem vorhandenen Einkommen oder Vermögen hätte bestreiten müssen. Da aber sämtliche Vermögenswerte zur Tilgung der Steuerschuld zur Verfügung stehen, würde einer derartig weiten – über den Wortlaut des § 261 Abs. 1 StGB hinausgehenden – Interpretation zufolge letztlich jeder Vermögensbestandteil ersparte Aufwendungen repräsentieren. Es wäre aber verfehlt, deshalb das Gesamtvermögen als kontaminiert zu betrachten, unabhängig von der Höhe der Steuerverkürzung oder der Einkunftsart. Letztlich würde dies zu einer totalen Isolation des Vortäters (hier also des Stpfl.) führen, obwohl zu seinen Gunsten noch die Unschuldsvermutung gilt. Man denke nur an in den Medien publik gewordene Ermittlungsverfahren wegen § 370a AO a.F. gegen prominente Sportler oder Politiker. Die Allgemeinheit wäre dadurch bösgläubig i.S.d. § 261 StGB. Die Betroffenen könnten keine normalen Alltagsgeschäfte mehr vornehmen. Ein Unternehmer wäre gezwungen, seinen Geschäftsbetrieb einzustellen, denn er könnte keinen Lohn mehr auszahlen oder die Rechnungen seiner Lieferanten begleichen. Dies wäre unverhältnismäßig und ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG und die Eigentumsgarantie gem. Art. 14 GG.
Rz. 1197.1
Dieses Problem ist auch durch die Gesetzesänderung zum 1.1.2008 nicht behoben worden, wie Joecks durch ein Beispiel verdeutlicht:
Beispiel
Der Gastwirt erfasst einmal in der Woche eine Familienfeier nicht in der Buchhaltung. Das bei der Veranstaltung vereinnahmte Geld wird mit dem restlichen Geldbestand vermischt. Die Steuerhinterziehung wird jedoch nicht mit der Nichtbuchung, sondern mit der Einreichung einer unrichtigen (weil zu niedrigen) Umsatzsteuervoranmeldung begangen. Er bezahlt in der Folge zu wenig Umsatzsteuer. Wo ist die ersparte Umsatzsteuer zu finden?
Das Problem erscheint unlösbar. Die Rspr. hat sich jedoch dagegen ausgesprochen, sich auf bestimmte, aussonderbare Geldbeträge zu stützen. Sie hat sich damit der – soweit ersichtlich – einzigen praktikablen Lösung verweigert. Nach ihrer Ansicht ist der Vermögensvorteil entscheidend, nicht jedoch die Sachidentität zwischen Erspartem und Weitergegebenem.
Es ist nicht davon auszugehen, dass sich dieses dem Tatbestand innewohnende Problem dann in naher Zukunft lösen lassen wird. Moderne Finanztransaktionen verlaufen insb. bei großen Vermögenssummen mittlerweile ohnehin fast nur noch bargeldlos. Geld und Währungen sind zu einer "körperlosen" Ware geworden, deren Aussonderung die moderne Finanzwirtschaft unmöglich macht. Die "unkörperliche Vermischung" auf Konten, in Aktiendepots oder bei Börsengeschäften sorgt dafür, dass theoretisch binnen weniger Minuten eine einbehaltene Steuerschuld das gesamte Vermögen durchziehen und so kontaminieren kann. Der Vermögensvorteil lässt sich beliebig aufteilen und so gleichzeitig auf allen Konten und immateriellen Finanzwerten verorten, so dass letzten Endes für niemanden greifbar ist, wo sich eigentlich der Steuervorteil befindet.
Damit treffen nicht nur den jeweiligen Anschlusstäter schwerwiegende Konsequenzen. Schließlich kann jede Geldannahme durch ihn zu einer ihn betreffenden Strafverfolgung führen. Auch der Steuerhinterzieher erleidet erhebliche Einbußen, denn er wird umfassend vom Geschäftsverkehr isoliert. Insbesondere die vergleichsweise niedrige Vorsatzschwelle bezüglich der Herkunft des Geldes führt dazu, dass Angestellte, Freunde und Geschäftspartner (z.B. jene, die sich die Herkunft einer spezifischen Geldsumme nicht anders erklären können) keine Geschäfte mehr mit dem Steuertäter tätigen könnten. Durch die deliktstypische Besonderheit der abschnittsweisen Begehung wird – wie oben bereits ausgeführt – nahezu jede Steuerhinterziehung zu einer gewerbsmäßigen. Diese Isolation trifft damit nahezu jeden Steuertäter, dessen Tatbegehung wenigstens billigend in Kauf genommen wird. Weiter muss der Geschäftspartner regelmäßig davon auszugehen, dass der Vermögenswert aus der Steuerhinterziehung herrührt. Denn durch die oben geschilderten Besonderheiten betrifft das "Herrühren" des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB i.V.m. den in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB verorteten steuerdeliktischen Besonderheiten einen Großteil der oder sogar alle Vermögenswerte des Steuertäters. Diesbezüglich genügt sogar Leichtfertigkeit. Daraus ergibt sich, dass quasi alle Vermögenswerte von fast jedem Steuertäter als Tatobjekt der Geldwäsche in Betracht kommen, d.h. rechtlich "kontaminiert" sind.
Die Situation verschärft sich noch bei Personen, die in ...