Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
(1) Allgemeines
Rz. 1681
Mit der Einführung der Abgeltungsteuer durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 mit Wirkung zum 1.1.2009 und der Einführung eines neuen Versicherungstyps im Sinne des Einkommensteuerrechts – dem vermögensverwaltenden Versicherungsvertrag – sowie eines neuen gesetzlich definierten Mindesttodesfallschutzes mit dem JStG 2009 vom 19.12.2008 gingen zahlreiche gesetzliche Anpassungen mit Auswirkungen auch auf die steuerliche Privilegierung von Renten- und Lebensversicherungsverträgen einher.
Rz. 1682
Für die steuerliche Behandlung und Privilegierung der Lebensversicherung gilt seitdem:
- 1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG unterliegt bei Kapitalleistungen im Erlebensfall oder bei Kündigung des Versicherungsvertrags der Unterschiedsbetrag zwischen der Kapitalleistung und der darauf entrichteten Prämiensumme als steuerlicher Ertrag der Abgeltungsteuer i.H.v. 25 % des Kapitalertrags zzgl. 5,5 % von der Einkommensteuer als Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer. Alternativ kann auch eine Besteuerung des Unterschiedsbetrags zum persönlichen Steuersatz erfolgen (Günstigerprüfung).
- 2. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 28 Satz 7 EStG ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags als steuerpflichtiger Ertrag anzusetzen und mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern, wenn die Kapitalleistung erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres des Stpfl. und nach Ablauf von mindestens 12 Jahren ausgezahlt wird.
- 3. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Todesfallleistungen von der Einkommensteuer (Abgeltungsteuer) befreit.
Rz. 1683
Dabei gelten die vorgenannten Grundsätze auch für Erträge aus fondsgebundenen Lebensversicherungen, für Erträge bei Rentenversicherungen im Erlebensfall, soweit keine lebenslange Rentenzahlung erbracht wird und für Erträge bei Rückkauf des Vertrags bei Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht.
Rz. 1684
Für eine steuerliche Privilegierung nach den vorgenannten Grundsätzen müssen ferner die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
(2) Kein "vermögensverwaltender Versicherungsvertrag"
Rz. 1685
Ein sog. vermögensverwaltender Versicherungsvertrag liegt gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG vor, wenn kumulativ:
- 1. eine gesonderte Verwaltung von speziell für diesen Vertrag zusammengestellte Kapitalanlagen vereinbart wurde und
- 2. diese nicht auf öffentlich vertriebene Investmentfondsanteile oder Anlagen, die die Entwicklung eines veröffentlichten Indexes abbilden, beschränkt ist und
- 3. der wirtschaftlich Berechtigte unmittelbar oder mittelbar über die Veräußerung der Vermögensgegenstände und die Wiederanlage der Erlöse bestimmen kann.
Die Voraussetzungen der Nr. 1 und 2 ergeben sich i.d.R. aus dem Versicherungsantrag und der Versicherungspolice ggf. unter Hinzuziehung der weiteren Versicherungsbedingungen. Sofern diese beiden Voraussetzungen vorliegen, wird in der Praxis oft um die Voraussetzung Nr. 3 gestritten.
Rz. 1686
Unmittelbarer Einfluss durch die Versicherungsnehmer (wirtschaftlich Berechtigter) liegt hierbei meist nicht vor, da die Versicherungsnehmer i.d.R. z.B. keine konkreten Anlageentscheidungen treffen können.
Die Finanzverwaltung unterstellt jedoch in geeigneten Fällen einen mittelbaren Einfluss, also eine sog. mittelbare Dispositionsbefugnis. Eine solche mittelbare Dispositionsmöglichkeit ist insbesondere anzunehmen, wenn die Anlageentscheidungen von einem Vermögensverwalter getroffen werden, der durch den wirtschaftlich Berechtigten beauftragt wurde, der wirtschaftlich Berechtigte einen Wechsel in der Person des Vermögensverwalters verlangen kann und eine individuelle Anlagestrategie zwischen dem Versicherungsunternehmen oder dem Vermögensverwalter und dem wirtschaftlich Berechtigten vereinbart wird.
Rz. 1687
Wird ein bereits vorhandenes Depot in einen Versicherungsvertrag dergestalt eingebracht, dass die Depotführung und die Vermögensverwaltung beim bisherigen Kreditinstitut oder dem bisherigen Vermögensverwalter verbleiben, geht die Finanzverwaltung i.d.R. von einer weiter bestehenden Dispositionsmöglichkeit des wirtschaftlich Berechtigten aus. Es gelte insoweit die – widerlegbare – Vermutung, dass der wirtschaftlich Berechtigte aufgrund einer gewachsenen und weiterhin bestehenden Geschäftsbeziehung Einfluss auf die Anlageentscheidungen ausüben kann. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser...