Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 248
Auch unvollständige Angaben sind regelmäßig unrichtige Angaben, weil die Erwartung der Vollständigkeit geschützt wird (s. Rz. 215). Ihre besondere Erwähnung im Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dient aber zumindest der Klarstellung. Eine unvollständige Angabe liegt vor, wenn eine Erklärung im Rechtsverkehr so gewertet wird, dass sie in einem bestimmten Sachzusammenhang eine vollständige Aussage ist, also sämtliche rechtlich verlangten Informationen (vgl. § 90 Abs. 2 AO) enthält. Das Verschweigen von Tatsachen hat dann den positiven Erklärungswert, dass weitere, zu offenbarende Tatsachen nicht vorhanden sind. Folglich werden keine unvollständigen Angaben i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht, wenn offen auf die Unvollständigkeit hingewiesen wird; es kommt dann bloß eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Unrichtig bzw. unvollständig sind Angaben etwa dann, wenn in einer Schenkungsteuererklärung (Mantelbogen der Schenkungsteuererklärung, Zeile 20) der Wahrheit zuwider angegeben wird, vom Schenker keine weiteren Schenkungen erhalten zu haben und die vom Schenker erhaltenen Vorschenkungen (in den Zeilen 110 bis 114 des Mantelbogens der Schenkungsteuererklärung) nicht im Einzelnen erklärt werden.
Beispiel
A reicht in den Monaten Januar bis Juni Umsatzsteuervoranmeldungen ein, die nicht die von ihm tatsächlich vereinnahmten Entgelte dieser Monate, sondern wesentlich geringere Beträge ausweisen. Dementsprechend waren auch die Vorauszahlungen dieser Monate zu niedrig.
Man könnte argumentieren, dass die Voranmeldungen des A nicht unrichtig sind, da A die angegebenen Umsätze ja (mindestens) getätigt hatte. Sie waren aber jedenfalls unvollständig. A war gesetzlich verpflichtet, sämtliche im Anmeldungszeitraum erzielten Umsätze anzugeben. Seine Anmeldungen enthielten daher konkludent die Aussage, die Umsätze seien vollständig angegeben.
Rz. 249
Wenn der Täter unvollständige Angaben macht, lässt er die Behörde über die verschwiegenen Tatsachen in Unkenntnis. Da der Gesetzgeber in § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO unvollständige Angaben mit unrichtigen Angaben gleichstellt, ist das mit unvollständigen Angaben notwendig verbundene Unterlassen bereits durch Nr. 1 erfasst. Ein Rückgriff auf § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist daher nicht notwendig. Ist der Täter ohnehin zur Mitteilung steuerlich erheblicher Tatsachen verpflichtet, kommt der Unterscheidung aber keine Bedeutung zu (s. Rz. 112.5 f.).
Rz. 250
Über den mit Wirkung ab dem 1.1.2017 in Kraft getretenen § 150 Abs. 7 Satz 2 AO werden dem Stpfl. unter den dort genannten Voraussetzungen die von mitteilungspflichtigen Stellen übermittelten Daten zugerechnet. Fehlen insoweit eigene Angaben in der Steuerklärung, ist diese nicht unvollständig (s. Rz. 213.1). Zur Vollständigkeit der Angaben bei zweifelhaften Rechtsfragen s. Rz. 244 f.; zum Nichtausfüllen des Freitextfeldes bei Zugrundelegen einer abweichenden Rechtsauffassung s. Rz. 232. Zur Vollständigkeit der Angaben, wenn die für die steuerliche Anerkennung erforderlichen Nachweise fehlen, s. Rz. 217. Zu den notwendigen Angaben bei nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben, insbesondere Bestechungsgeldern, s. Rz. 217, 245.