Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 251
Die Tathandlung besteht darin, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben den FinB oder anderen (zuständigen) Behörden zugehen (s. Rz. 213) und in die Bearbeitung des Steuerfalls einfließen (s. Rz. 581 a.E.). Das ist auch der Fall, wenn die Angaben in einen Datenverarbeitungsvorgang einfließen, aber nicht von einem Menschen zur Kenntnis genommen werden. Bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nennt das Gesetz nur die FinB als Adressaten. FinB i.S.d. AO sind die in § 6 Abs. 2 AO genannten Behörden. Bislang ungeklärt ist die Frage, ob die Übertragung von Aufgaben der Steuerfestsetzung durch Einzelsteuergesetze auf andere Behörden als die in § 6 Abs. 2 AO aufgezählten – bspw. die Kfz-Zulassungsstellen – jene anderen Behörden zu FinB i.S.d. § 370 I Nr. 2 AO macht.
Rz. 252
Andere Behörden als FinB sind in den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgenommen worden, weil auch diese Behörden für Entscheidungen zuständig sein können, die für Steuern erheblich sind, bspw. bei Angaben gegenüber den nach §§ 82 ff. des 2. WoBauG a.F. zuständigen Behörden, die für die Grundsteuer erheblich sein konnten, oder für die Entscheidung der Denkmalbehörde für die erhöhten Absetzungen nach § 7i Abs. 2 EStG. Zu den anderen Behörden gehört auch die Kfz-Zulassungsstelle (§ 13 KraftStG), nicht aber eine Meldebehörde. Zweifelhaft ist, ob in Bezug auf die Kfz-Steuer auch Polizeibeamte erfasst sind, die durch ein echt aussehendes Dublettenkennzeichen über die Zulassung des Fahrzeugs und damit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStDV über die Abgabe einer Steuerklärung gegenüber der Zulassungsbehörde getäuscht werden (sollen). Steuerliche Entscheidungen im eigentlichen Sinn treffen sie nicht (s. Rz. 253); andererseits überprüfen sie die ordnungsgemäße Zulassung des Fahrzeugs.
Rz. 253
Gerichte sind zwar keine Behörden i.S.d. § 6 Abs. 1 AO, wenn sie rechtsprechende Aufgaben und nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB, der als allgemeine Regel des Strafrechts über § 369 Abs. 2 AO auch für das Steuerstrafrecht Anwendung findet (s. § 369 Rz. 80 f.), gilt ein Gericht aber ebenfalls als Behörde. Darunter fallen aber nicht die Nachlassgerichte, da sie keine steuerlichen Entscheidungen treffen. Das FG ist (s. auch Rz. 255) Adressat einer unrichtigen Angabe dann, wenn es im Rahmen einer auf Aufhebung eines Bescheides zur Einkommensteuer abzielenden Klage steuererhebliche Feststellungen und Entscheidungen wie eine FinB zu treffen hat (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Rz. 254
Bezieht sich die Tat auf Abgaben und Steuern ausländischer Staaten (so bei § 370 Abs. 6, 7 AO), so erfüllen unrichtige Angaben gegenüber den zuständigen ausländischen FinB den Tatbestand. Von der Erweiterung des Schutzbereichs werden nicht nur die Steuern und Einfuhrabgaben, sondern auch die Adressaten der Angaben erfasst. Nach einer restriktiven Ansicht sollen dagegen nur Hinterziehungshandlungen gegenüber deutschen FinB tatbestandsmäßig sein. Das widerspricht aber dem in den Abs. 6 und 7 zum Ausdruck kommenden gemeinschaftsweiten Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege.
Rz. 255
Ein Handeln gegenüber der FinB liegt auch dann vor, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben während eines anhängigen Finanzgerichtsverfahrens gemacht werden (s. auch Rz. 253). Nach § 76 Abs. 4 FGO i.V.m. §§ 88, 89 Abs. 1 AO bleibt die FinB während der Anhängigkeit des Finanzprozesses Herrin des Verfahrens. Die Pflicht der Behörde, den Sachverhalt zu ermitteln, wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt. Werden die unrichtigen oder unvollständigen Angaben in einem an das FG gerichteten Schriftsatz gemacht, so liegt darin auch eine unrichtige oder unvollständige Angabe gegenüber der Behörde. Denn die vorbereitenden Schriftsätze im Klageverfahren sind zugleich für die Behörde bestimmt (§ 77 Abs. 1 FGO).
Rz. 256
Angaben gegenüber Privatpersonen sind aus dem Anwendungsbereich des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschieden. Eine juristische Person des Privatrechts, etwa die Post, kann aber Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 6 Abs. 1 AO, s. Rz. 529). Wer erfolgreich eine gutgläubige Privatperson (z.B. den Steuerberater) als Werkzeug einsetzt, um falsche oder unvollständige Angaben an die zuständige Behörde weiterzuleiten und den Hinterziehungserfolg herbeizuführen, begeht Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft (s. Rz. 111).
Rz. 257– 260
Einstweilen frei.