Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1543
Zur Feststellung des Schuldumfangs gehört die Zollwertermittlung gem. Art. 70 ff. UZK (s. Rz. 468 f., 477 m.w.N.). Vorrangige Grundlage für den Zollwert von Waren ist der Transaktionswert, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis (Art. 70 ff. UZK). Nachrangige Methoden benennt Art. 74 UZK, wenn diese nicht greifen, ist die Schlussmethode anzuwenden, d.h. die Bestimmung erfolgt auf der Grundlage von im Zollgebiet der Union verfügbaren Daten und unter Einsatz sinnvoller Hilfsmittel entsprechend den allgemeinen Vorschriften (Art. 74 Abs. 3 UZK). Letztlich kann daher in Ermangelung besserer Erkenntnisse eine Schätzung erfolgen, die aber vom Tatrichter gem. § 261 StPO in eigener Verantwortung vorgenommen werden muss (s. Rz. 477, 488 und § 373 Rz. 16.1, 124 ff.). Bei serienmäßig begangenen Einfuhrdelikten kann der Tatrichter die Einzeltaten und die Besteuerungsgrundlagen schätzen (s. Rz. 488).
Rz. 1544
Im Strafverfahren gelten die Vermutungen und formellen Nachweise des Zoll- und Verbrauchsteuerrechts nicht (so die h.M., auch der BGH, s. Rz. 1551.1; a.A. hier Ransiek in § 370 Rz. 459 ff.).
Rz. 1545
Beim Zigarettenschmuggel können Anknüpfungspunkte einer Schätzung auch die vom BMF – von der Zigarettenmenge abhängigen – festgesetzten Anhaltswerte sein.
Rz. 1545.1
Entsprechendes gilt für den Kleinverkaufspreis (s. dazu die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 Satz 1 TabStG; zum durchschnittlichen Kleinverkaufspreis s. die vom BMF im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichten Geschäftsstatistiken des Vorjahres, § 34 TabStG). Der Steuertarif ergibt sich unabhängig vom Einfuhrvorgang aus § 2 TabStG, wobei im Unterschied zu Art. 70 ff. UZK ein Mindeststeuersatz vorgesehen ist (vgl. § 2 Abs. 2 TabStG). Im Ergebnis beträgt die hinterzogene Tabaksteuer i.d.R. das Sechsfache der hinterzogenen Einfuhrzollschuld. Wenn nicht die legalen Einzelhandelspreise zugrunde gelegt werden, ist der durchschnittliche Kleinverkaufspreis von Markenzigaretten des unteren Preissegments maßgeblich.
Existiert für den legalen Verkauf bestimmter Zigaretten kein inländischer Kleinverkaufspreis, so darf diesen das Gericht nicht schlicht einer ihn dekretierenden zollrechtlichen Dienstvorschrift entnehmen, sondern muss dessen Angemessenheit eigenverantwortlich überprüfen. Entspricht der dem Urteil zugrunde liegende Kleinverkaufspreis jedoch (bis auf marginale Abweichungen) dem gewichteten durchschnittlichen Kleinverkaufspreis, so lässt sich ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler ausschließen.
Für das Jahr 2017 beanstandete der BGH den vom Ausgangsgericht zugrunde gelegten Kleinverkaufspreis von 27,3553 Cent nicht, obwohl sich ein tatsächlicher Kleinverkaufspreis von 24 Cent hatte feststellen lassen. Für das Jahr 2016 legte der BGH für Zigaretten, die ebenfalls in Deutschland nicht legal vertrieben werden, einen Mindeststeuersatz von 15,61040 Cent zugrunde.
Rz. 1545.2
Zur Berechnung bei Einfuhr über einen anderen EU-Mitgliedstaat s. § 373 Rz. 16.2, 26, 129 und nachst. Rz. 1548, 1555.
Die Höhe der verkürzten Einfuhrumsatzsteuer bemisst sich nach dem Steuersatz von 19 % gem. § 12 Abs. 1 UStG (deutsches UStG) und nicht dem jedenfalls höheren Steuersatz des Einfuhrmitgliedstaates, in dem die Straftaten begangen wurden.
Rz. 1546
Der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG hinsichtlich der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer beim Weiterkauf einer Ware lässt die im Rahmen der Zollanmeldung bei Einfuhr der Waren begangene Hinterziehung der Einfuhrumsatzsteuer unberührt und führt bei Abführung der geschuldeten Umsatzsteuern an die FinB nach der Weiterveräußerung allenfalls zu einer Schadenswiedergutmachung. Der BGH dehnt damit seine restriktive Rspr. zur Berücksichtigung von Vorsteuern (s. dazu Rz. 1034 m.w.N.) auf den Schmuggel aus.