Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1060
Grundsätzlich kann nachträgliches Verhalten strafschärfend wirken. Allerdings nur dann, wenn neues Unrecht geschaffen wird oder eine rechtsfeindliche Einstellung zum Ausdruck kommt. So ist zwar anerkannt, dass ein sorgfältig geplantes Vorgehen zur Vermeidung von Tatspuren oder deren Beseitigung strafschärfend berücksichtigt werden kann, andererseits der Täter auch nicht die Überführung erleichtern muss, wobei allein die bloße Spurenbeseitigung nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf, selbst wenn sie kaltblütig bewerkstelligt wird. Strafmildernd wirken sich insb. Reue, Bereiterklärung zur Schadenswiedergutmachung, ein vollumfängliches (frühzeitiges) Geständnis und das bereitwillige Mitwirken an der Aufklärung bereits von Beginn des Ermittlungsverfahrens an aus. Im Rahmen der Bewertung der Bedeutung eines Geständnisses ist maßgeblich, inwieweit darin ein Bekenntnis des Angeklagten zu der Tat zu erkennen ist, ob Schuldeinsicht und Reue zum Ausdruck gebracht werden und auch, ob durch das Geständnis das Prozessziel der Erreichung von Rechtsfrieden gefördert wird. Demgegenüber ist es unzulässig, das Fehlen eines Geständnisses strafschärfend zu berücksichtigen. Des Weiteren kann zugunsten des Angeklagten auch berücksichtig werden, wenn er nach der verfahrensgegenständlichen Tat nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Zwar ergeben sich hierdurch keine Auswirkungen auf die zu beurteilende Tat selbst, jedoch kann die hierdurch zum Ausdruck kommende Stabilisierung der Lebensverhältnisse einen Strafmilderungsgrund darstellen.
Für die Tatbestandsverwirklichung ist es unerheblich, dass der Stpfl. nach Aufdeckung der beendeten Steuerhinterziehung im Rahmen einer "tatsächlichen Verständigung" eine Übereinkunft über die Höhe der Steuernachzahlung erzielen konnte; dieses Nachtatverhalten ist jedoch im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Rz. 1061
Der Täter darf die Tat bestreiten, ohne befürchten zu müssen, dass daraus nachteilige Schlüsse gezogen werden. Leugnen oder Bestreiten für sich allein ist kein Strafschärfungsgrund. Zum Bestreiten des Tatvorwurfs führte der BGH aus:
"Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (BGH v. 29.1.2013 – 4 StR 532/12, NStZ-RR 2013, 170, 171; vgl. auch Senat BGH v. 20.7.2010 – 4 StR 291/10, NStZ 2010, 692; BGH v. 22.6.1999 – 1 StR 238/89, NStZ-RR 1999, 328)."
Weder aus einer anfänglichen, noch einer durchgehenden Aussageverweigerung dürfen nachteilige Schlüsse gezogen werden, da andernfalls das Schweigerecht nicht mehr vollumfänglich gewährt wäre, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Schweigen in Kauf zu nehmen hätte. Zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten darf bei einer Prognoseentscheidung gem. § 56 Abs. 1 StGB nicht zu dessen Lasten verwendet werden. Verschleierungshandlungen können nur dann strafschärfend Berücksichtigung finden, wenn diese nicht nur dazu dienten, eine Strafverfolgung zu vermeiden, sondern "sich darin eine rechtsfeindliche Gesinnung des Täters dokumentiert oder neues Unrecht geschaffen wird". So hat der BGH auch erst kürzlich entschieden, dass das bloße Dulden einer falschen Zeugenaussage nur dann straferhöhend herangezogen werden darf, wenn es Ausdruck von Rechtsfeindlichkeit und Uneinsichtigkeit ist, so zum Beispiel, wenn der Angeklagte den Zeugen zu den Angaben verleitet oder ihn in Kenntnis seiner Bereitschaft hierzu als Zeugen benannt hat.
Einem leugnenden Angeklagten kann nicht zur Last gelegt werden, dass er die Steuerschulden nicht bezahlt habe (s. auch Rz. 1058.3).