Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
1. Mehrere Falschangaben in einer Erklärung
Rz. 871
Schon durch den Wortlaut des § 370 Abs. 1 AO wird deutlich gemacht, dass mehrere Falschangaben zu einer tatbestandlichen Einheit zusammengefasst werden, wenn diese verschiedenen Angaben zu einem einheitlichen Steuerhinterziehungserfolg führen. Dann liegt nur eine einzige Steuerstraftat vor, so dass §§ 52, 53 StGB keine Anwendung finden (s. Rz. 862). Ist bspw. eine Steuererklärung hinsichtlich zweier oder mehrerer Einkunftsarten unrichtig oder lückenhaft, führen diese Falschangaben zu einer einzigen unrichtigen Festsetzung der Einkommensteuer für den betreffenden Besteuerungszeitraum, so dass § 370 AO insgesamt nur einmal verwirklicht wird. Gleiches gilt, wenn Zinseinnahmen eines Jahres aus mehreren ausländischen Konten nicht angegeben werden, bei pflichtwidriger Nichtgestellung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mehrerer Gegenstände beim Überschreiten der Grenze zur Vermeidung des Einfuhrzolls (Art. 77 ff. UZK, s. Rz. 328; s. aber auch Rz. 904, wenn die unterlassene Angabe für unterschiedliche Abgaben bedeutsam ist) oder beim Verschweigen mehrerer Umsätze im Rahmen einer Umsatzsteuervoranmeldung. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht die Umsatzsteuerschuld bei Besteuerung nach vereinbarten Entgelten mit dem Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in welchem die Leistungen ausgeführt wurden, also für alle in dem jeweiligen Voranmeldungszeitraum ausgeführten Leistungen zugleich. Die Tat nach § 370 AO ist folglich durch die Steuerart, die den Verkürzungserfolg kennzeichnet (s. Rz. 55), den Besteuerungszeitraum und den Stpfl. bestimmt.
Rz. 872
In gleicher Weise verknüpft die Verpflichtung zur Anmeldung der Lohnsteuer nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 41a EStG bzw. zu ihrer Einhaltung und Abführung nach § 380 AO den Verstoß gegen diese Pflicht für verschiedene Arbeitnehmer hinsichtlich eines Anmeldungszeitraums (§ 41a Abs. 2 EStG) zu einer Einheit. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto zu führen; nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind die Summen der einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer anzugeben. Bei der Teilnahme liegt entsprechend auch nur eine Beihilfetat vor, wenn sich mehrere Hilfeleistungen auf eine einzige Tat beziehen. Auch die fortlaufende Förderung mehrerer Taten kann sich in der Gesamtschau als nur eine dauerhafte Beihilfehandlung darstellen. Zur Annahme von Tateinheit nach § 52 StGB bei einem "uneigentlichen"Organisationsdelikt s. Rz. 912 f.
2. Mehrere Falschangaben im zeitlich gestreckten Verfahren
Rz. 873
Eine einheitliche Tat (eine Gesetzesverletzung) liegt auch dann vor, wenn der Täter einen noch nicht fehlgeschlagenen Versuch der Steuerhinterziehung vom Festsetzungs- über das Einspruchs- ggf. bis zum finanzgerichtlichen Verfahren mit dem Ziel fortsetzt, dieselbe Steuer zu verkürzen, und zwar auch dann, wenn die späteren Täuschungshandlungen auf einem neuen Entschluss beruhen. Der Versuch der Steuerhinterziehung ist dabei erst mit Bestandskraft und nicht schon mit Erlass des Steuerbescheids fehlgeschlagen (s. Rz. 728). Demgegenüber liegen zwei in Tatmehrheit nach § 53 StGB zueinander stehende Steuerhinterziehungen vor, wenn zunächst im steuerlichen Festsetzungsverfahren unrichtige Angaben zu einer zu niedrigen Festsetzung der Steuer führen und anschließend in dem diese Steuern betreffenden Beitreibungsverfahren nochmals falsche Angaben gemacht werden, die die Beitreibung der geschuldeten Steuer vereiteln (s. Rz. 915).
Beispiele
- A gibt eine falsche Steuererklärung ab. Dabei ist er sich bewusst, dass die FinB vermutlich Rückfragen stellen wird, die sie zur Aufklärung des Sachverhalts (§§ 88, 90, 93 AO) für erforderlich hält. A stellt sich darauf ein, diese Nachfragen wahrheitswidrig zu beantworten, um den wahren Sachverhalt auch weiterhin zu verschleiern.
- S lässt in seiner Einkommensteuererklärung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt. Nach Abgabe seiner Steuererklärung ärgert er sich, dass er seine Einkünfte überhaupt so hoch angegeben hat. Er "berichtigt" deshalb seine Erklärung, um die Steuerlast weiter zu senken. Wegen des Bezugs der Falschangaben durch denselben Täter auf einen einheitlichen Erfolg liegt in beiden Beispielsfällen jeweils eine einheitliche Tat vor, die lediglich durch zwei Handlungen begang...