Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
1. Allgemeines
Rz. 900
Idealkonkurrenz (Tateinheit) liegt vor, wenn dieselbe Handlung dasselbe Gesetz mehrfach oder mehrere Gesetze verletzt (zur Unterscheidung zur einmaligen Gesetzesverletzung s. Rz. 862, 871 ff.); bei Verletzung verschiedener Strafgesetze liegt ungleichartige Idealkonkurrenz, bei mehrfacher Verletzung desselben Strafgesetzes gleichartige Idealkonkurrenz vor. Die gleiche Unterscheidung trifft § 53 StGB für die Realkonkurrenz (Tatmehrheit), wenn mehrere Gesetzesverletzungen durch mehrere Handlungen begangen wurden.
Rz. 901
Die Behandlung der Idealkonkurrenz nach § 52 StGB richtet sich nach dem Absorptionsprinzip. Die Strafe wird nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Das Absorptionsprinzip ist aber insofern eingeschränkt, als die Strafe nicht milder sein darf als die anderen anwendbaren Gesetze dies zulassen (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StGB). Die Mindeststrafe der milderen Strafbestimmung darf folglich nicht unterschritten werden. Nach § 52 Abs. 3 StGB kann das Gericht neben einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe gesondert verhängen, wenn sich der Täter durch die Tat bereichert hat oder zu bereichern versuchte (§ 41 StGB). Das Gericht muss oder kann gesondert Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB aussprechen, wenn eines der anwendbaren Gesetze diese vorschreibt oder zulässt (§ 52 Abs. 4 StGB). Zudem kommt der Idealkonkurrenz eine Klarstellungsfunktion im Schuldausspruch zu. Obwohl nur eine Strafe verhängt wird, enthält der Urteilstenor Angaben über sämtliche tateinheitlich verwirklichten Deliktstatbestände und darüber, wie oft sie durch den Verurteilten erfüllt wurden.
Rz. 902
Dagegen erfolgt die Bildung der Gesamtstrafe bei der Realkonkurrenz nach dem Asperationsprinzip, also durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe (§ 54 Abs. 1 StGB). In der Tendenz ist die Annahme von Tateinheit für den Täter günstiger; deshalb gilt bei tatsächlichen Zweifeln der Grundsatz in dubio pro reo (s. Rz. 864 ff.).
2. Eine Handlung oder mehrere Handlungen
a) Handlung im natürlichen Sinn
Rz. 903
Entscheidend für die Anwendung des § 52 oder § 53 StGB ist, ob mehrere Gesetzesverletzungen durch eine oder durch mehrere Handlungen begangen werden. Davon zu trennen ist die Frage, ob trotz Vorliegens mehrerer Handlungen nicht nur eine einzige Tat im materiellen Sinn gegeben ist (s. dazu Rz. 862, 871 ff.). § 52 StGB ist einschlägig, wenn auch nach alltäglichem Verständnis eine einzige Handlung im natürlichen Sinn, also nur eine Willensbetätigung des Täters vorliegt. Zur Annahme von Idealkonkurrenz reicht es aus, wenn die zur Verwirklichung mehrerer Tatbestände führenden Handlungen teilweise identisch sind und insofern eine Überschneidung vorliegt. Unschädlich ist es damit, wenn zur Verwirklichung eines Tatbestands die mit der auch zur Erfüllung des anderen Tatbestands identische Ausführungshandlung nicht genügt, sondern noch weitere Handlungen erforderlich sind.
"Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiellrechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Tateinheit in diesem Sinne ist gegeben, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind (BGH, Beschl. v. 21.3.1985 – 1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165 mit Bezugnahme u.a. auf RG, Urt. v. 28.4.1899 – Rep. 1158/99, RGSt 32, 137, 138 f.; BGH, Beschl. v. 11.11.1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67). Dagegen begründen eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks Tateinheit ebenso wenig (BGH, Beschl. v. 21.3.1985 –1 StR 583/84, BGHSt 33, 163, 165 m.w.N.) wie das bloße Zusammenfallen von zwei Tatbeständen, bei denen der Täter den einen Tatbestand lediglich gelegentlich der anderen Tat verwirklicht (vgl. BGH, Urt. v. 5.8.2010 – 3 StR 210/10, juris Rz. 16)".
Rz. 904
(Gleichartige) Tateinheit ist somit dann gegeben, wenn eine unrichtige Einkommensteuererklärung abgegeben wird und die unrichtigen Angaben sowohl zur Strafbarkeit wegen Verkürzung von Einkommensteuer einschließlich des Solidaritätszuschlags als auch der von der Einkommensteuer abhängigen Kirchensteuer führen, soweit diese als Steuerhinterziehung strafbar ist (s. Rz. 381). Geht man mit dem BGH davon aus, dass die Hinterziehung von Kirchensteuer als Betrug nach § 263 StGB strafbar sein kann (s. Rz. 382), liegt ungleichartige Idealkonkurrenz vor. Auch bei einer Schmugg...