Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1067
§ 46 Abs. 3 StGB normiert das Verbot der Doppelverwertung von Strafzumessungstatsachen, das über § 369 Abs. 2 AO auch für das Steuerstrafrecht gilt. Dieses Verbot bedeutet, dass die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands, die schon bei der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens als maßgeblich verwertet wurden, nicht nochmals bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen.
Bei § 370 AO darf nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass sich sein Vorgehen gegen die Allgemeinheit richtet. Geschütztes Rechtsgut des § 370 AO ist der Anspruch des Steuergläubigers auf den vollen Ertrag jeder einzelnen Steuer. Damit soll die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Hinblick auf alle Stpfl. gewährleistet werden, die jeweils nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Steuerzahlung herangezogen werden sollen. Diese bereits dem Tatbestand immanenten Grundsätze dürfen im Falle der Zuwiderhandlung durch steuerunehrliches Verhalten nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Zudem darf in dem Umstand, dass der Angeklagte die Taten hätte verhindern bzw. hiervon absehen können, kein strafzumessungsrelevanter Umstand gesehen werden. Andernfalls würde ihm zur Last gelegt werden, dass er die Taten überhaupt begangen hat und hierin ist ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot zu sehen. Die Strafzumessungserwägung, dass sich in der Art und Weise der Begehung der Taten eine besonders geringe kriminelle Energie zeigt, ist nicht rechtsfehlerhaft, da es sich nicht um ein "Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes" i.S.v. § 46 Abs. 3 StGB handelt, sondern um die Berücksichtigung eines Umstandes, der von § 46 Abs. 2 StGB umfasst ist.
Die strafschärfende Berücksichtigung der besonderen fachlichen Kenntnisse eines Steuerberaters verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Diese können allenfalls für den Vorsatz von Bedeutung sein. Das Tatgericht hatte die Eigenschaft auch zum Ausschluss eines Tatbestandsirrtums verwendet. Mit dem Hinweis auf die fachlichen Kenntnisse hat es im Endeffekt den Vorsatz strafschärfend verwertet. Dieser gehört aber zum Tatbestand der Steuerhinterziehung. Der Umstand, dass ein Unternehmer durch die Hinterziehung von Umsatzsteuern zusätzliches Betriebskapital zur Verfügung hat und sich durch dessen Einsatz im Vergleich zu Konkurrenten im Wettbewerb einen Vorteil verschafft, ist die regelmäßige Folge der Tatbestandsverwirklichung des § 370 AO und darf bei der Strafzumessung nicht mehr berücksichtigt werden. Auch darf nicht strafschärfend berücksichtigt werden, dass der Angeklagte die Tat selbst initiiert hat.
Umstände, die bei einem besonders schweren Fall ein Regelbeispiel begründen, dürfen nicht zur Strafschärfung herangezogen werden. Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings dann, wenn trotz Erfüllung eines Regelbeispiels ein besonders schwerer Fall verneint wird. In diesem Fall kann das Vorliegen eines Regelbeispiels als allgemeiner Strafzumessungsumstand strafschärfend berücksichtigt werden, da dieser in diesem Fall gerade noch nicht gewertet wurde.