Rz. 749
Die objektive Tatentdeckung und die Kenntnis des Täters bzw. das Kennen-Müssen hiervon haben den Ausschluss der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige zur Folge.
a) Sachlicher Umfang der Sperrwirkung
Rz. 750
Für den Stpfl., der erfährt, dass eine der von ihm begangenen Steuerverkürzungen aufgedeckt worden ist, kann die Frage, ob er wegen anderer Steuervergehen noch rechtzeitig, d.h. mit Aussicht auf Straffreiheit, Selbstanzeige erstatten kann, u.U. von entscheidender Bedeutung sein. Denn aus der Entdeckung der einen Tat kann sich leicht die Gefahr ergeben, dass man ihm auch bzgl. der anderen Taten auf die Spur kommt. Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO a.F. (i.d.F. vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes) war die Antwort, die das Gesetz auf jene Frage gab, eindeutig. Sie fiel für den an einer Selbstanzeige interessierten Stpfl. positiv aus: Durch die Entdeckung verlor er die Straffreiheit nur hinsichtlich der Tat, von der er weiß oder wissen muss, dass sie teilweise oder vollständig aufgedeckt ist. Die Frage der Tatentdeckung war demnach für jede einzelne Tat nach der Steuerart und dem Besteuerungszeitraum zu beurteilen.
Rz. 751
In der durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz geänderten Fassung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO bleibt indes ungewiss, ob die Sperrwirkung auch weiterhin auf die jeweils entdeckte Tat beschränkt ist oder ob nicht schon eine entdeckte Tat auf die übrigen Taten der betroffenen Steuerart ausstrahlt und auch bzgl. dieser Taten Sperrwirkung entfaltet. So birgt der insoweit nicht eindeutige Wortlaut des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO das Risiko, dass die Entdeckung einer materiell-rechtlichen Tat – im Sinne einer Entdeckungsfiktion – sämtliche materiell-rechtliche Taten dieser Steuerart sperrt.
Rz. 752
Diese Problematik resultiert aus dem aktuellen Gesetzeswortlaut. Während § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO i.d.F. vor Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes davon sprach, dass "die Tat" entdeckt sein musste, tritt nach der heutigen Gesetzesfassung Straffreiheit nicht ein, wenn "eine der Steuerstraftaten" bereits entdeckt war. Bei den Sperrgründen des § 371 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist aufgrund der dort gewählten – eindeutigeren – Formulierung "bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten" davon auszugehen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des Sperrgrundes für eine zur Selbstanzeige gebrachten Tat Sperrwirkung für sämtliche Taten der betroffenen Steuerart entfaltet (s. Rz. 491, 494, 609 f.). Anders als beim Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ist dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO eine solche Ausweitung der Sperrwirkung nicht ohne weiteres zu entnehmen. Zudem enthalten die Gesetzesmaterialien auch keine Anhaltspunkte für eine Ausdehnung der Sperrwirkung bei § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO. Anders ist dies für die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ausdrücklich, dass die Rechtsfolge Straffreiheit dann nicht mehr eintritt, wenn "bei einer der offenbarten Taten Entdeckung droht. Das ist bereits dann der Fall, wenn dem Täter eine Prüfungsanordnung oder die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer der offenbarten Taten bekannt gegeben worden ist.". Da für § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vergleichbare Anhaltspunkte fehlen und zudem der Wortlaut insoweit nicht eindeutig ist, ist m.E. davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO keine Ausweitung der Sperrwirkung herbeiführen wollte. Demnach ist die Frage der Tatentdeckung auch künftig isoliert für jede materiell-rechtliche Tat zu bestimmen, ohne dass durch die Entdeckung einer Tat die Entdeckung weiterer Taten fingiert wird.
Rz. 753
Nach der Gegenansicht, die auch von der Finanzverwaltung vertreten wird, führt die vollständige oder teilweise Entdeckung einer der Taten, für die nach § 371 Abs. 1 AO eine Selbstanzeige abzugeben ist, zu einer Sperrwirkung auch für die anderen Taten derselben Steuerart. Nach dieser Auffassung sind Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 insoweit einheitlich auszulegen.
Rz. 754
Fraglich ist, ob die Entdeckung einer Tat, die zwar im Rahmen der fiktiven Frist nach § 371 Abs. 1 Satz 2 AO liegt, bzgl. derer aber bereits strafrechtliche Verfolgungsverjährung eingetreten ist, den Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO auslösen kann. Richtigerweise ist dies abzulehnen. Nach der hier vertretenen Auffassung ergibt sich das bereits daraus, dass der sachliche Umfang der Sperrwirkung sich nur auf die jeweils entdeckte Tat erstreckt. Abzuwarten bleibt, ob die Gegenauffassung auch in diesem Fall eine Infektion der strafbefangenen Taten annehmen wird.
aa) Vorbereitungshandlungen der Steuerhinterziehung
Rz. 755
Der wahrgenommene Sachverhalt muss in objektiver und subjektiver Hinsicht die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung wegen einer Steuerstraftat begründen (s. ...