Rz. 456

[Autor/Stand] Fraglich ist der Eintritt der Sperrwirkung, wenn die Prüfung an Amtsstelle stattfindet. Nach den soeben beschriebenen Kriterien sind die Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO dann nicht erfüllt, wenn der Stpfl. zur FinB vorgeladen wird und er mit seinen Geschäftsunterlagen auf der Amtsstelle erscheint[2].

 

Rz. 457

[Autor/Stand] Nach a.A.[4], der sich auch der BFH[5] angeschlossen hat, erlangen die Räumlichkeiten des FA dagegen rechtlich die Qualität des Prüfungsortes, sobald der Stpfl. mit seinen Unterlagen beim FA eintritt. Dies erscheint bereits vom Standpunkt der Sphärentheorie aus, die auch Westpfahl[6] vertritt, inkonsequent. Dadurch, dass der Stpfl. – zumal zwangsweise – beim FA erscheint, werden die Räumlichkeiten der Behörde noch nicht zur Sphäre des Stpfl. Dies kann man allenfalls von neutralen Orten annehmen, die der Stpfl. zur Durchführung der Prüfung vorschlägt und die er damit quasi "seiner Sphäre einverleibt".

 

Rz. 458

[Autor/Stand] Letztlich spricht entscheidend gegen die vorst. Ansicht der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussgründe (s. Rz. 414 ff.). In jedem Fall muss ein Erscheinen aufgrund einer Vorladung des FA, also eine zwangsweise bedingte Festlegung der Räumlichkeiten, ausscheiden, weil die Vorschrift des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO in diesem Falle in malam partem ausgelegt würde[8]. Der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO ("zur steuerlichen Prüfung ... erschienen") legt bereits eine gewisse Dynamik in der Weise nahe, dass sich die FinB von ihrem Sitz weg zum Stpfl. bewegen muss. Nimmt man hinzu, dass vom Gesetzeszweck eher eine enge Auslegung der Ausschlussgründe geboten ist, dann ist in den Fällen der Vorladung zur Prüfung auf der Amtsstelle ein "Erscheinen" i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO nicht gegeben. Eine andere Sichtweise hätte zudem zur Folge, dass der Eintritt der Sperrwirkung davon abhinge, ob der Stpfl. auf die Vorladung hin erscheint oder nicht. Dem will Joecks[9] dadurch begegnen, dass das bloße Betreten des FA dann noch nicht die Sperrwirkung auslöse, wenn der Stpfl. zunächst dem Finanzbeamten eine Berichtigungserklärung überreichen wolle.

 

Rz. 459

[Autor/Stand] Etwas anderes wird man aber in den Fällen des § 200 Abs. 2 Satz 1 AO anzunehmen haben[11]. Diese Vorschrift sieht vor, dass der Stpfl., sofern ein für die Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, die Unterlagen in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen hat. Hat der Stpfl. keinerlei Sphäre geschaffen, in der eine Außenprüfung stattfinden kann, so darf er den Eintritt der Sperrwirkung unter Berufung auf diesen Umstand nicht verhindern können.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] Zust. Burkhard, wistra 1998, 217; Lüttger, StB 1993, 376; Merkt, DStR 1987, 710; vgl. auch Mösbauer, NStZ 1989, 11 (12).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[4] Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, 1987, S. 58; im Ergebnis ebenso Kemper in Rolletschke/Kemper, § 371 AO Rz. 214.
[5] BFH v. 9.3.2010 – VIII R 50/07, DStR 2010, 1075 zur hinsichtlich des Merkmals "Erscheinens" übereinstimmenden Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG.
[6] Westpfahl, Die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht, 1987, S. 58.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[8] Vgl. auch Beckemper in HHSp., § 371 AO Rz. 158.
[9] Joecks in JJR8, § 371 AO Rz. 228 f.
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[11] Gegen diese Ausnahme Kohler in MünchKomm/StGB3, § 371 AO Rz. 228.

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