Rz. 679
Auch eine Kontrollmitteilung kann Mittel der Tatentdeckung sein. Jedoch ist insoweit eine differenzierte Betrachtung geboten.
Die Erstellung der Kontrollmitteilung führt noch nicht zur Tatentdeckung. Auch der Eingang von Kontrollmitteilungen beim zuständigen FA schließt die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige noch nicht aus, denn aus der Kontrollmitteilung ist nicht unmittelbar ersichtlich, ob z.B. der Umsatz oder die Einkünfte versteuert wurden oder nicht. Erst wenn der zuständige Veranlagungsbeamte durch Abgleich mit den Steuerakten oder durch weitere Nachforschungen zu dem Schluss kommt, dass Steuern verkürzt worden sind und auch ein vorsätzliches Verhalten naheliegt (s. Rz. 649 ff.), kann von einer Tatentdeckung im Sinne der in Rz. 635 ff. beschriebenen Erfordernisse ausgegangen werden. Jedoch dürfen keine voreiligen Vermutungen vorsätzlichen Verhaltens angestellt werden, sondern auch leichtfertiges Verhalten des Stpfl. ist in Betracht zu ziehen.
Beispiel
Der Stpfl. S hört von seinem Bekannten B, dass der Betriebsprüfer bei ihm eine Kontrollmitteilung von einer Rechnung des S über eine Vermittlungsprovision gefertigt hat. S hat die Provision in seiner Einkommensteuererklärung nicht angegeben. Bevor diese bei dem für S zuständigen Veranlagungs-FA eingeht, erstattet S Selbstanzeige.
Diese ist noch wirksam abgegeben. Eine Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO lag noch nicht vor. Gleiches gilt, wenn S Selbstanzeige erstattet, bevor sich der zuständige Sachbearbeiter damit befasst hat.
Nur in Ausnahmefällen kann eindeutig von einer Tatentdeckung ausgegangen werden (der Betreffende wird z.B. steuerlich gar nicht geführt).
Beispiel
Wie vorstehend. Wie der zuständige Sachbearbeiter aber feststellt, weist die Einkommensteuererklärung des S für das betreffende Jahr nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus. Hier ist die Nichterklärung der Einkünfte eindeutig, auch besteht der begründete Verdacht vorsätzlichen Verhaltens (s. aber Beispiel bei Rz. 343 f.).
Rz. 680
Liegen dem zuständigen Sachbearbeiter mehrere, einander widersprechende Kontrollmitteilungen vor, kann noch nicht von Tatentdeckung ausgegangen werden.
Beispiel 71
Das Veranlagungs-FA erhält am 7.10. eine Kontrollmitteilung des FA X, aus der hervorgeht, dass der Stpfl. S von der F-GmbH Zahlungen für Dienstleistungen erhalten hat. In der Anlage sind eine Auflistung der Umsätze und die entsprechenden Rechnungen des S enthalten. Gleichzeitig liegt dem Sachbearbeiter aber eine andere Kontrollmitteilung des FA vom 3.9. vor, aus der sich erheblich höhere Umsätze ergeben als aus der Kontrollmitteilung vom 7.10. Angesichts der erheblichen Diskrepanz steht unter Berücksichtigung beider Kontrollmitteilungen im Zeitpunkt des Vergleichs der Daten der Kontrollmitteilungen mit den von S erklärten Beträgen nicht fest, dass dieser Steuern hinterzogen hat.
Rz. 681
Zudem kann in vielen Fällen die subjektive Komponente des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen sein (s. Rz. 721 ff.), wenn der Täter aufgrund des Verhaltens der FinB noch nicht mit einer Tatentdeckung rechnen musste. Das ist insb. der Fall, wenn aufgrund der Kontrollmitteilung die Herkunft und der Zeitraum feststehen, nicht jedoch die Höhe der Beträge oder die Herkunft und die Höhe, nicht aber der Zeitraum, und das FA vom Stpfl. diesbezüglich nähere Auskunft verlangt.
Beispiel
S hat in erheblichem Umfang Nebeneinkünfte als Versicherungsvertreter erzielt. Dem FA liegt für diese Einkünfte für mehrere Jahre Kontrollmaterial vor. In der Einkommensteuererklärung hat S nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angegeben. Veranlagungsbeamter B schreibt an S: "Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie Ihre Einkünfte nicht vollständig erklärt. Ich gebe Ihnen hiermit Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen."
Abwandlung
In dem Schreiben des FA heißt es: "Ich bitte um Mitteilung, seit wann Sie als Vertreter der X-Versicherung tätig sind, und um Erklärung der Einkünfte." S bestätigt daraufhin den Erhalt der Provisionen und macht hierzu genaue Angaben.
In der Stellungnahme des S ist eine wirksame "Selbstanzeige" i.S.d. § 371 Abs. 1 AO zu sehen. Die Schreiben des FA machen deutlich, dass es sich um eine Auskunft im Besteuerungsverfahren handelte, der noch kein strafrechtlicher Verdacht zugrunde lag, der für eine Tatentdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO spräche. Ansonsten hätte B, bevor er bei S nachfragte, diesen gem. § 393 Abs. 1 AO darüber belehren müssen, dass der Tatverdacht einer Steuerstraftat bestehe und seine Mitwirkung nicht erzwungen werden könne.
Daraus folgt generell, dass die Vorgehensweise der FinB ein wesentliches Indiz für den jeweiligen Verdachtsgrad ist. Auch wird bei rein steuerlichen Maßnahmen wie Schätzungen, Mahnungen und Zwangsmitteln i.S.d. §§ 328 ff. AO neben der objektiven Tatentdeckung (s. Rz. 677 f.) die subjektive Komponente der Selbstanzeige (s. Rz. 721 ff.) regelmäßig zu verneinen sein.