Rz. 87
Nach zutreffender überwiegender Meinung steht der Wirksamkeit einer Selbstanzeige durch Dritte grundsätzlich nicht entgegen, dass der Beauftragte nach außen nicht zu erkennen gibt, dass er für einen anderen (Täter oder Teilnehmer) die Berichtigungserklärung abgibt (sog. verdeckte Stellvertretung). Entscheidend ist, dass der Täter tatsächlich hinter der Selbstanzeige steht. Jedoch ist die verdeckte Stellvertretung in den Fällen, in denen eine Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO notwendig ist, sowie in Fällen, in denen eine Straffreiheit nur über den Strafzuschlag nach § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO erreicht werden kann, umstritten.
Rz. 88
Im Hinblick auf die Fristsetzung gem. § 371 Abs. 3 AO ist es erforderlich, dass die Person des Vertretenen innerhalb der in verdeckter Stellvertretung abgegebenen Selbstanzeige dem FA bekannt wird. Nur so ist es möglich, dem Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung, bei der bereits eine Steuerverkürzung eingetreten ist oder Steuervorteile bereits erlangt wurden, eine Frist nach § 371 Abs. 3 AO zu setzen. Das wird namentlich bei Selbstanzeigen eines Mittäters oder Teilnehmers mit begünstigender Wirkung auch zugunsten anderer Beteiligter relevant. Haben die an der Tat Beteiligten dagegen nicht zu eigenen Gunsten Steuern hinterzogen, scheidet eine Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO aus, so dass eine verdeckte Stellvertretung möglich bleibt. Die Hinterziehung von Unternehmenssteuern erfolgt regelmäßig zugunsten des Unternehmens und nicht zugunsten von dessen Organen und Mitarbeitern. Gegenüber diesen erfolgt somit regelmäßig keine Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO, so dass eine verdeckte Stellvertretung grundsätzlich möglich ist. Das Kriterium der Fremdnützigkeit ist jedoch in jedem Einzelfall genau zu prüfen. Eine zu eigenen Gunsten erfolgte Steuerhinterziehung liegt im Unternehmenskontext zwar nicht vor, wenn ein Mitarbeiter an der Steuerhinterziehung mitwirkt, um lediglich seinen Arbeitsplatz zu erhalten, oder der Geschäftsführer Steuern zugunsten der von ihm geführten GmbH hinterzieht, wenn er selbst am Ergebnis der Gesellschaft nicht partizipiert. Jedoch könnte eine Fremdnützigkeit möglicherweise bezweifelt werden, wenn (leitenden) Angestellten Tantiemen oder sonstige Vorteile zustehen, die leistungsabhängig sind.
Eine verdeckte Stellvertretung ist ferner möglich, wenn noch keine Steuerverkürzungen eingetreten oder Steuervorteile erlangt sind oder wenn gleichzeitig die verkürzten Steuern samt Zinsen nach § 235 AO und § 233a AO nachgezahlt werden.
Rz. 89
Etwas anderes gilt allerdings in Fällen, in denen die Selbstanzeige wegen § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 4 AO unwirksam ist, aber ein Absehen von Strafverfolgung nach § 398a AO in Betracht kommt. Durch die Neufassung des § 398a AO ist geklärt, dass die Geldauflage nicht nur von Tätern, sondern auch von Teilnehmern zu zahlen ist. Demgegenüber ist nach wie vor nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Geldauflage nach § 398a AO von jedem an der Tat Beteiligten oder nur einmal pro Tat zu zahlen ist (dazu ausführlich § 398a Rz. 12 ff.). Würde man die Auffassung vertreten, dass die Geldauflage nur einmal zu zahlen ist, würde die Zahlung eines Beteiligten dem verdeckt Vertretenen zugute kommen. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass die Ermittlungsbehörden weiterhin die Ansicht vertreten werden, dass die Geldauflage von jedem Tatbeteiligten zu entrichten ist. Dieser Auffassung hat sich auch das LG Aachen angeschlossen. Und auch in Nr. 82 AStBV (St) 2020 heißt es insoweit: "Jeder an der Tat Beteiligte muss den Zuschlag in voller Höhe entrichten, damit von der strafrechtlichen Verfolgung gegen ihn abgesehen wird" (s. AStBV Rz. 82). In den Fällen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 4 AO scheidet daher eine verdeckte Stellvertretung bei entsprechender Anwendung der Rspr. zur Fristsetzung nach § 371 Abs. 3 AO aus, da der Finanzverwaltung andernfalls nicht bekannt würde, welche Person zur Entrichtung des Geldbetrags nach § 398a AO heranzuziehen ist.
Rz. 90
Für die Selbstanzeige in Unternehmen, wo die Wertgrenze des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO von 25.000 EUR regelmäßig überschritten ist, bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung der Möglichkeit, eine Selbstanzeige in verdeckter Stellvertretung für alle potentiell in den Kreis der Beteiligten einbezogenen Personen abzugeben (s. hierzu Rz. 96 ff.).
Rz. 91
Aus dem Erfordernis, dass die Erstattung einer Selbstanzeige durch Dritte stets einen zuvor erteilten Spezialauftrag voraussetzt (Rz. 84), folgt, dass die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 f. BGB) nicht entsprechend anwendbar sind. Eine Selbstanzeige, die für einen anderen (Mittäter oder Teilnehmer) ohne dessen Auftrag erstattet wird, wird auch nicht dadurch wirksam, dass sie von dem betreffenden Täter oder Teilnehmer nachträglich genehmigt wird. Das Erfordernis der Vertretungsmacht ist unv...