Rz. 154
Die Berichtigung früherer Angaben des Täters ist unabdingbare Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige. Allgemein lässt sich sagen, dass der Täter eine gewisse Tätigkeit in Richtung einer Berichtigung oder Ergänzung seiner früheren Angaben entfalten muss und hierdurch wesentlich dazu beiträgt, dass die betreffende Steuer nachträglich richtig festgesetzt werden kann. Die bloße Nachzahlung der verkürzten Steuern reicht nicht aus (vgl. § 371 Abs. 1 und 3 AO). Bei einfachen Sachverhalten erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine Berichtigung z.B. auch auf einem für die Finanzkasse bestimmten Zahlkartenabschnitt bzw. mit dem Überweisungsträger erfolgen kann.
Rz. 155
Die allgemein übliche Verwendung der Kurzbezeichnung "Berichtigung" darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter dem Begriff "Berichtigung"drei Arten der Berichtigungserklärung verbergen: Unrichtige Angaben hat der Täter zu berichtigen, unvollständige zu ergänzen und unterlassene Angaben nachzuholen.
Mit dieser Gesetzesformulierung knüpft das Gesetz an die Tathandlungen der Steuerhinterziehung an, die im Wesentlichen darin bestehen, dass der Stpfl. vorsätzlich durch Tun oder Unterlassen
- die sich aus §§ 149–153 AO i.V.m. den einzelnen Steuergesetzen ergebenden Steuererklärungspflichten verletzt und dadurch die richtige Festsetzung der von ihm geschuldeten Steuern verhindert,
- außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens zur Erschleichung von unberechtigten Steuervorteilen – z.B. Vereitelung oder Verzögerung von Beitreibungsmaßnahmen gem. §§ 249 ff. AO, Stundung nach § 222 AO, Erlass nach §§ 163, 227 AO – falsche Angaben macht,
- in einem Verfahren über einen Rechtsbehelf unrichtige Erklärungen abgibt und dadurch Gericht oder Behörde über die Besteuerungsgrundlagen täuscht.
Allgemein bedeutet "Berichtigen" daher, unrichtige, unvollständige oder fehlende Angaben durch die richtigen und vollständigen zu ersetzen.
Rz. 156
Für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist es unerheblich, ob das "Material", das die Berichtigungserklärung enthält, für die FinB "neu" ist oder der Täter dies zumindest glaubt. Soweit die von Mattern begründete sog. Materiallieferungstheorie – die während der Geltung des sehr weitgehenden § 410 RAO 1949 (s. Rz. 9 f.) ihre Berechtigung gehabt haben mag – dieses zusätzliche Erfordernis aufstellt, ist dies mit der derzeitigen Fassung des § 371 AO nicht vereinbar. Das Handlungsmerkmal "berichtigen" ist rein objektiv gefasst. Die Ausschlussgründe der Selbstanzeige sind – systematisch von Abs. 1 bewusst getrennt – in Abs. 2 abschließend geregelt. Sind diese nicht gegeben und im Übrigen die Anforderungen des Abs. 1 (s. Rz. 79 ff.) erfüllt, so ist es für die Wirksamkeit der Selbstanzeige unerheblich, ob das "Material", das die Berichtigungserklärung enthält, für die FinB "neu" ist oder der Täter dies zumindest glaubt.
Unschädlich ist für die Wirksamkeit der Berichtigungserklärung auch, ob sie Material enthält, das sich das FA im Wege der Amtshilfe aufgrund der steuerstrafrechtlichen – zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegen den Täter gerichteten – Ermittlungen der StA hätte beschaffen können. Dieser Umstand ist allenfalls für die Frage einer Entdeckung i.S.v. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO von Bedeutung.
Rz. 157
Ob eine Richtigstellung der unzutreffenden oder unterlassenen Angaben erfolgt, beurteilt sich rein objektiv. Mit welcher Intention die Anzeige abgegeben wurde, ist unerheblich (s. Rz. 148). Ein besonderer Berichtigungswille ist nicht erforderlich. Auch wenn sich der Stpfl. nicht bewusst ist, dass er berichtigende Angaben macht, erstattet er wirksam Selbstanzeige, sofern das Vollständigkeitserfordernis des § 371 Abs. 1 AO (s. Rz. 124 ff.) gewahrt ist. Eine Berichtigung braucht nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sondern es genügt, dass dies tatsächlich im Wege der Auslegung feststellbar ist.
Rz. 158
Es müssen ausschließlich Angaben über Tatsachen gemacht werden, die für die Besteuerung erheblich sind, d.h. eine Selbstbezichtigung oder sonstige Motive für die Anzeigeerstattung brauchen nicht mitgeteilt zu werden, davon ist sogar abzuraten (s. Rz. 146). Die Selbstanzeige bewirkt nur Straffreiheit hinsichtlich der Steuerart, die vollständig nachgemeldet worden ist. Auf welche Steuerart der Täter seine Selbstanzeige bezogen wissen will, braucht jedoch nicht ausdrücklich erklärt zu sein. Es genügt vielmehr, wenn der steuerlich relevante Sachverhalt, z.B. die Umsatzzahlen, so genau bezeichnet ist, dass der FinB eine richtige Festsetzung der in Betracht kommenden Steuern möglich ist.