aa) Begriff
Rz. 200
Unter einer Teilselbstanzeige wird eine Nacherklärung i.S.d. § 371 AO verstanden, in der die steuerlich erheblichen Tatsachen der Finanzverwaltung – entgegen dem Vollständigkeitsgebot des § 371 Abs. 1 AO – nicht in vollem Umfang zutreffend offenbart werden.
bb) Abschaffung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz
Rz. 201
Durch die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO im Rahmen des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes wurde die Teilselbstanzeige per Gesetz abgeschafft. Sämtliche unvollständige Selbstanzeigen, die nach Inkrafttreten der Neufassung des § 371 Abs. 1 AO (3.5.2011) bei den FinB abgegeben wurden, waren daher als Teilselbstanzeigen in vollem Umfang unwirksam.
Rz. 202
An der Regelung durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz ist insb. zu kritisieren, dass die Offenbarungspflicht zu weitreichend ist (zur teilweisen Wiedereinführung der vor dem 3.5.2011 geltenden Rechtslage s. Rz. 205 ff.). Durch die Ausweitung des Vollständigkeitserfordernisses auf mehrere Steuerstraftaten einer Steuerart korrespondiert dieses nicht mehr mit dem materiell-rechtlichen Tatbegriff (s. dazu Rz. 127 f.). Die Verknüpfung der Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Selbstanzeige mit der Offenbarung unterschiedlicher Steuerstraftaten führt dazu, dass grds. unvollständige Angaben bzgl. einer von mehreren nacherklärten Taten zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige für sämtliche nacherklärten Taten der betroffenen Steuerart führen.
Rz. 203
Die Neufassung des § 371 Abs. 1 AO hat erhebliche Auswirkung auf die Praxis der Selbstanzeigeberatung. So ist die Problematik der Unvollständigkeit einer Selbstanzeige seither noch eingehender mit dem Mandanten zu erörtern. Dabei ist zu beachten, dass grds. ein Handeln mit Eventualvorsatz, d.h. der Erfolgseintritt wird vom Täter ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, zur Verwirklichung einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung ausreicht, worauf der Mandant gesondert hinzuweisen ist, da nach seinem laienhaften Verständnis vorsätzliches Handeln regelmäßig nur das zielgerichtete Wollen i.S.d. dolus directus umfasst.
Rz. 204
In der Literatur wurde bereits nach dem Beschluss des BGH vom 20.5.2010 kritisiert, dass die Abschaffung der Teilselbstanzeige im Zusammenhang mit der Praxis der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen nicht praktikabel ist. Diese Problematik bestand nach der gesetzlichen Abschaffung der Teilselbstanzeige durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz zunächst unverändert fort. Wird eine Umsatzsteuervoranmeldung nicht fristgemäß abgegeben, liegt bereits eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung vor. Die verspätete Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung wird jedoch als strafbefreiende Selbstanzeige gewertet. Dies hatte zur Folge, dass die verspätet abgegebene Erklärung – nach der ab dem 3.5.2011 geltenden Gesetzeslage – vollständig und richtig sein musste, da andernfalls eine unwirksame Teilselbstanzeige vorlag. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich in diesem Zusammenhang für große Unternehmen. Diese müssen aufgrund des Umfangs der von ihnen abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen ihre Erklärungen regelmäßig mehrfach korrigieren. Wegen der Vielzahl der einzelnen Vorfälle auf Eingangs- und Ausgangsseite handelt es sich um ein "fehleranfälliges Massengeschäft". Da die Verantwortlichen sich zumindest bei den ersten Voranmeldungen nicht selten bewusst sind, dass diese unzutreffend sind und noch korrigiert werden müssen, begehen sie jeweils eine bedingt vorsätzliche Steuerhinterziehung durch Abgabe einer falschen Voranmeldung. Bei konsequenter Anwendung des § 371 AO i.d.F. des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes wäre Unternehmen die Möglichkeit verwehrt geblieben, ihre Voranmeldungen mehrfach zu korrigieren. Bei wortlautgetreuer Auslegung war die erste Korrektur als Teilselbstanzeige unwirksam und führte zudem mitunter zugleich zur Tatentdeckung, so dass auch späteren Erklärungen keine strafbefreiende Wirkung mehr zukommen konnte. In letzter Konsequenz hätte dies die Verwirklichung einer Steuerhinterziehung in Höhe der zu erklärenden Umsatzsteuer des Unternehmens bedeutet – bei Beachtung des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 Satz 2 AO ohne Berücksichtigung der Vorsteuern. Ein solches Ergebnis ist aufgrund der Komplexität der Umsatzsteuervoranmeldungen großer Unternehmen weder sachgerecht noch praxistauglich. Die Problematik bestand in vergleichbarer Weise bei der Lohnsteuer. Auch hier wird die Steuer (vom Arbeitgeber) für Rechnung eines anderen (des Arbeitnehmers) einbehalten und auch hier ist in kürzester Zeit eine Vielzahl steuerrelevanter Lebenssachverhalte zu würdigen, was zu einem erhöhten Korrekturbedarf führt. Bereits zur "alten" Gesetzeslage vor dem 31.12.2014 hatte die Finanzverwaltung diese Unzulänglichkeit erkannt. Nach Nr. 132 Abs. 2 AStBV (St) 2014 waren berichtigte oder verspätet abgegebene Lohnsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldungen nur in begründeten Einzelfällen an d...