Rz. 861
Die Selbstanzeige bietet dem Steuersünder die einzigartige Möglichkeit, durch Offenbarung seines Fehlverhaltens und Zahlung der Steuer, die er ohnehin schuldet, Strafbefreiung auch bei vollendeter Tat zu erlangen. Zumeist wird sich der Betroffene zur Selbstanzeige erst wegen drohender Tatentdeckung genötigt sehen. Deshalb ist, wenn man sich zur Selbstanzeige entschlossen hat, Eile geboten, damit nicht zwischenzeitlich ein Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 AO eintritt.
1. Selbstanzeige bei welchem Anlass?
Rz. 862
Besonders dringlich erscheint die Prüfung der Notwendigkeit einer Selbstanzeige bspw., wenn das FA eine Außenprüfung ankündigt, eine Prüfung bei einem Geschäftspartner stattfindet, das FA im Veranlagungsverfahren Auskunft verlangt (z.B. bei einem Grundstückskauf nach der Herkunft des Geldes für die Zahlung des Kaufpreises fragt oder bei Anfragen aufgrund von Kontrollmitteilungen), eine bestimmte Branche schwerpunktmäßig überprüft oder mit Fahndungsmaßnahmen überzogen wird (s. Banken, Ärzte, Dentallabors etc.), "Rachemaßnahmen" vonseiten eines gekündigten Mitarbeiters, der geschiedenen Ehefrau oder eines Geschäftspartners, mit dem man sich überworfen hat, drohen oder wenn bereits ein Strafverfahren auf Veranlassung von Sozialversicherungsträgern eingeleitet ist. Auch wenn der Stpfl. von dem Ankauf einer CD mit Steuerdaten Kenntnis erlangt (aufgrund von Presseberichten oder durch einen Anruf seiner Bank) kann Eile geboten sein.
2. Kein Schutz vor Ermittlungen der FinB
Rz. 863
Die Selbstanzeige schützt nur vor Strafe, nicht aber vor Ermittlungen der FinB, insb. ist die Überprüfung der Richtigkeit der Angaben in der Selbstanzeige zulässig. Sie kann auch Anlass für die Einleitung einer Steufa-Prüfung sein. Daher gilt es, sich vorsorglich darauf einzustellen. Bei diesen steuerlichen oder strafrechtlichen Ermittlungen kann der Anzeigeerstatter die Aussage und Auskunft über etwaige Tatbeteiligte verweigern und bei Gefahr der Selbstbelastung die Mitwirkung bei der steuerlichen Aufklärung verweigern (s. § 393 AO). Die Selbstanzeige hebt das Schweigerecht des Beschuldigten nicht auf. Die Preisgabe von weiteren Informationen (z.B. über Geschäftspartner oder Tatbeteiligte) darf nicht unter der Drohung, andernfalls werde die Selbstanzeige nicht anerkannt, von Fahndern erzwungen werden. Das führt zu einem Verwertungsverbot bzgl. der erlangten Erkenntnisse. Gleiches gilt für die aufgrund rein steuerlicher Ermittlungen ohne entsprechenden strafrechtlichen Vorbehalt gewonnenen Erkenntnisse über die Unvollständigkeit einer Selbstanzeige.
3. Sorgfältige Planung der Vorgehensweise
Rz. 864
Wie die Darstellung gezeigt hat, ist wegen der Schwierigkeit der Rechtsmaterie und der zahlreichen Fußangeln, die der Wirksamkeit der Selbstanzeige im Wege stehen können, der Anzeigeerstatter gut beraten, wenn er zuvor seine Schritte sorgfältig abwägt und fachkundigen Rat einholt. Sind die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt bzw. ist die Selbstanzeige unvollständig, droht eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Straffreiheit tritt auch dann nicht ein, wenn der Stpfl. die nach § 371 Abs. 3 AO nachzuentrichtenden Steuern und Hinterziehungszinsen nicht zahlen kann. Kann er die nach § 398a AO festzusetzenden Geldbeträge nicht zahlen, kommt in den Fällen der § 371 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO keine Verfahrenseinstellung in Betracht.
Rz. 865
Auch aufseiten des Beraters ist in dieser Risikosituation Fingerspitzengefühl gefragt, will er sich nicht durch unsachgemäße Beratung des Mandanten selbst in strafrechtlich verfängliche Situationen bringen oder schadensersatzpflichtig machen.
Rz. 866
Der Steuerberater ist nicht verpflichtet, dem Mandanten unbedingt zur Selbstanzeige zu raten; allein seine berufliche Position macht ihn nicht zum Garanten i.S.d. § 13 StGB (s. § 370 Rz. 348). Der Rat zur Selbstanzeige ist kein Parteiverrat, das Abraten erfüllt nicht den Tatbestand der Strafvereitelung gem. § 258 StGB. Der Berater ist auch nicht verpflichtet, den Mandanten beim FA anzuzeigen, wenn dieser seinem Rat nicht folgt. Er darf dies wegen seiner Verschwiegenheitspflicht sogar nicht. Einer Anzeige steht § 203 StGB entgegen. Praxishinweise für derartige Risikosituationen geben Höpfner/Schwartz.