Rz. 252
Da eine Selbstanzeige nur dann wirksam ist, wenn sie insb. die unrichtigen Angaben vollständig korrigiert, führt ein nachträglicher Widerruf von Angaben in einer Selbstanzeige zu deren Unwirksamkeit. Im Umfang der widerrufenen Angaben liegt dann eine unvollständige Selbstanzeige vor. Dies gilt selbstverständlich nur im Hinblick auf Änderungen des Sachverhalts und nicht im Hinblick auf Rechtsauffassungen. Sofern eine abweichende Rechtsansicht vertreten wird, ändert sich hierdurch nichts an der Tatsachenbasis und nur diese ist für die Wirksamkeit der Selbstanzeige relevant. Es müssen nämlich nur die unrichtigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen korrigiert werden. Ein Widerruf liegt nach m.E. auch dann nicht vor, wenn im steuerlichen Verfahren – bspw. im Zusammenhang mit der Festsetzung von Hinterziehungszinsen – ein Einspruch eingelegt wird, dabei der Tatsachenvortrag aber nicht verändert wird. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn lediglich der Vorsatz bestritten wird. Insbesondere liegt auch in der fristgerechten Nachentrichtung der festgesetzten Hinterziehungszinsen kein Anerkenntnis der materiell-rechtlichen Richtigkeit. Da die fristgerechte Nachzahlung der Zinsen jedoch Voraussetzung für eine wirksame Selbstanzeige ist, muss in jedem Fall eine Zahlung erfolgen. Diese kann – muss aber nicht – im Falle eines Einspruchs unter Vorbehalt erfolgen. Insoweit handelt es sich um einen Ausnahmefall von der Regel, dass nur eine vorbehaltlose Zahlung zur Wirksamkeit der Selbstanzeige führt. Auch insoweit gilt, dass ein Widerruf nicht vorliegt, wenn der Stpfl. im Übrigen nicht von der Selbstanzeige abrückt und die von ihm gemachten Angaben nicht in Zweifel zieht. Dem Stpfl. bleibt es unbenommen, sich gegen einen Steuer- oder Zinsbescheid, der auf der Selbstanzeige beruht, mit steuerverfahrensrechtlichen Mitteln zu wehren. Andernfalls müsste der Stpfl. aus Vorsichtsgründen, da die Bewertung der inneren Tatsache des vorsätzlichen Handelns durch die Behörde nur schwer vorhersehbar und mit großen Unsicherheiten behaftet ist, auf sein Recht einen Einspruch einzulegen verzichten. So führt auch das LG Heidelberg aus:
"Ließe dieser Einspruch die Wirkung des § 371 AO entfallen, sähe sich der Steuerschuldner vor die missliche Wahl gestellt, entweder einen vielleicht rechtswidrigen Steuerbescheid zu akzeptieren oder sich auf ein Strafverfahren mit ungewissem Ausgang einzulassen."
Beispiel
Der Stpfl. S und seine Ehefrau E erkennen nachträglich, dass sie gegenseitige Schenkungen entgegen § 30 ErbStG in der Vergangenheit zu Unrecht nicht angezeigt haben und es sich teilweise auch um schenkungsteuerpflichtige Sachverhalte handelt. Beide sind davon ausgegangen, dass es sich bei dem Ehevermögen um ein gemeinsames Vermögen handelt und es sich nicht um Schenkungen handelt. Eine Anzeige- und letztlich auch Schenkungsteuerpflicht war ihnen nicht bekannt. Obwohl die Eheleute nicht vorsätzlich gehandelt haben, müsste eine Korrektur aus Vorsichtsgründen selbstanzeigesicher ausgestaltet werden.
Die Eheleute reichen dementsprechend eine Selbstanzeige ein. Gleichzeitig legen sie Einspruch gegen den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ein. Bei der Überprüfung der Wirksamkeit der Selbstanzeige durch die FinB vertritt diese die Auffassung, dass eine wirksame Selbstanzeige zwar grundsätzlich vorliegen würde, diese aber erst dann Wirkung entfaltet, wenn der eingelegte Einspruch zurückgezogen werde.
Die in dem Beispielsfall beschriebene Konstellation kommt in der Praxis nicht selten vor. Da regelmäßig nicht vorhersehbar ist, ob die Behörden im Nachhinein von einem vorsätzlichen Verhalten ausgehen, ist eine Berichtigung regelmäßig selbstanzeigesicher auszugestalten. Gleichzeitig sollen aber negative Folgen – wie bspw. die Festsetzung von Hinterziehungszinsen – vermieden werden. Der Auffassung der Behörde im Beispielsfall ist nicht zu folgen. Die Wirksamkeit der Selbstanzeige wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass steuerlich ein Einspruch eingelegt wird. Die steuerlich relevanten Angaben werden in dieser Konstellation nicht widerrufen. Es wird lediglich die Rechtsauffassung vertreten, dass es sich nicht um ein vorsätzliches Unterlassen handelt. Die steuerlich relevanten Tatsachen – im Beispielsfall die Schenkungen – werden nicht widerrufen. Auf steuerlicher Ebene darf daher insoweit gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gekämpft werden.
Unschädlich ist ein Einspruch nach vorangegangener Selbstanzeige auch in den Fällen, in denen die Selbstanzeige auf eine großzügige Schätzung gestützt wurde und die Zahlen nachträglich nach unten korrigiert werden. Zwar werden in diesem Fall die steuerlich relevanten Tatsachen teilweise widerrufen. Solange jedoch nur die bisher im Rahmen der Schätzung zu hoch angegebenen Steuern korrigiert werden, bleibt die Selbstanzeige insoweit vollständig und richtig.