Rz. 260
Die Berichtigungserklärung, wie sie § 371 Abs. 1 AO verlangt, ist eine sachliche Voraussetzung der Straflosigkeit. "Ob dem Steuerpflichtigen zum Verschulden angerechnet" wird, dass die Erklärung "unzulänglich geblieben ist, ist rechtlich belanglos". Insbesondere kann sich der Täter nicht darauf berufen, dass Dritte, die er mit der Erstattung der Selbstanzeige beauftragt hat, die Berichtigungserklärung entgegen dem erteilten Auftrag falsch übermitteln. Der Stpfl. trägt grundsätzlich allein die Verantwortung für das Ge- oder Misslingen einer Selbstanzeige.
Rz. 261
Beispiel 202
Der Angeklagte A hatte Einkommen- und Umsatzsteuer hinterzogen. Unter anderem hatte A in einem Schreiben am 10.4.1985 dem FA mitgeteilt, dass er seit 1977 Einkünfte aus selbständiger Arbeit habe, die steuerlich noch nicht erfasst seien. A konnte zu diesem Zeitpunkt keine sachdienlichen Angaben nachholen. Seine Unterlagen waren nicht aufbereitet. Weder er selbst noch sein Steuerberater konnten eine steuerlich ordnungsgemäße Zusammenstellung vornehmen. A konnte die Einkünfte weder schätzen noch annähernd Beträge nennen. Damit war es dem Angeklagten nicht möglich, am 10.4.1985 über das Eingeständnis hinaus weitere Angaben zu machen. Am 17.6.1985 wurde dem Angeklagten die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben.
Das LG Hamburg hat in dem Schreiben keine wirksame Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abs. 1 AO gesehen. Es habe sich lediglich um die Ankündigung einer Selbstanzeige gehandelt. Entgegen der Entscheidung des OLG Hamburg vom 21.11.1985 (s. Rz. 189), das dem Gehilfen sein Unvermögen oder die Unmöglichkeit der Richtigstellung der Angaben zugute gehalten habe, könne das Unvermögen des Täters, die Angaben nachzuholen, nicht berücksichtigt werden; dabei zitiert das LG Hamburg den BGH:
"[...] ‚Auch dann, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Selbstanzeige zu einer Sachaufklärung – verschuldet oder unverschuldet – nicht in der Lage ist, kommt er nicht in den Genuß der Straffreiheit, da die Berichtigung oder Ergänzung der Angaben eine sachliche Voraussetzung der Straflosigkeit ist, der Täter, der die vorsätzliche Steuerstraftat begangen hat, trägt das Risiko, im Zeitpunkt der Selbstanzeige an den erforderlichen Angaben verhindert zu sein.‘ Grund hierfür ist, daß nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift der Straftäter für die Erlangung der Straffreiheit ‚mit seinen Auskünften und Unterlagen dem Finanzamt eine bisher verschlossene Steuerquelle offenbaren‘ muß."
Rz. 262
Der Entscheidung des LG Hamburg ist, was die Ausführungen zum Unvermögen angehen, zuzustimmen, da sich die Verantwortlichkeit bei einem (Allein-)Täter anders beurteilt als bei einem Teilnehmer, der faktisch keine Möglichkeiten zur Korrektur der Angaben hat (s. Rz. 188 ff.). Im entschiedenen Fall helfen nach der neuen Rspr. auch nicht die Grundsätze der sog. gestuften Selbstanzeige weiter, da eine solche unwirksam ist, wenn nicht bereits vorab konkret geschätzte Beträge erklärt werden (s. Rz. 149 f.). Regelmäßig ist aber der Wille zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit, der in der unwirksamen Selbstanzeige zum Ausdruck kommt, strafmildernd zu berücksichtigen.