Schrifttum:
Dann, Keine Straffreiheit nach Selbstanzeige, wenn allgemeine Presse- und Rundfunkberichte über den Ankauf von "Steuer-CDs" vorliegen, DStR 2015, 897; Dörn, Tatentdeckung (§ 371 II Nr 2 AO) durch Kontrollmaterial, wistra 1993, 169; Fehling/Rothbächer, Ausschluss der strafbefreienden Selbstanzeige durch Medienberichte? – Zur Auslegung des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, DStZ 2008, 821; Göggerle/Frank, Entdeckung der Tat bei der Selbstanzeige gemäß § 371 Abs 2 Nr 2 der Abgabenordnung, BB 1984, 398; Henneberg, Die Entdeckung der Tat im Steuerstrafrecht – Zum Begriff der Entdeckung der Tat im Sinne des § 371 Absatz 2 Ziffer 2 der Abgabenordnung, BB 1984, 1679; Müller, Die Stufen des Tatverdachts bei der Hinterziehungstat und deren Konsequenzen, AO-StB 2011, 276; Randt/Schauf, Selbstanzeige und Liechtenstein-Affäre – Ist der Weg in die Straflosigkeit noch möglich oder sind die Taten schon entdeckt?, DStR 2008, 489; Schöler, Tatentdeckung beim Ankauf von Steuer-CDs, DStR 2015, 503; Schwartz, Praxisprobleme mit der zweiten Selbstanzeige: Tatentdeckung durch die Abgabe einer (unwirksamen) Teilselbstanzeige, wistra 2011, 81; Wulf, Auf dem Weg zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige (§ 371 AO)?, wistra 2010, 286; Wulf, Strafbarkeit behördlicher CD-Käufe und Verwertbarkeit der erlangten Informationen, PStR 2012, 33. Weitere Nachw. im Schrifttumsverzeichnis vor Rz. 1.
1. Grundgedanke und Auslegung
Rz. 629
Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige ist gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO dann ausgeschlossen, wenn "eine der Steuerstraftaten" im Zeitpunkt der Nacherklärung "ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste".
Rz. 630
Ebenso wie die anderen Ausschlussgründe beruht § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO auf der Erwägung, dass die Gewährung der Straffreiheit infolge Selbstanzeige nicht mehr gerechtfertigt erscheint, wenn die Tat bereits entdeckt ist. Wie bereits dargelegt, kommt es bei der Auslegung der Bestimmung nicht auf die Freiwilligkeit bzw. Unfreiwilligkeit an (s. Rz. 419 ff., 32). Mit der heutigen Fassung der Vorschrift hat der Gesetzgeber unmissverständlich klargestellt, dass es für die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige auf die objektive Entdeckung der Tat und nicht auf deren irrtümliche Annahme durch den Täter ankommt.
Damit ist die früher umstrittene Frage nach den Auswirkungen einer irrtümlichen Annahme der Tatentdeckung im Sinne der h.M. vom Gesetzgeber geklärt worden.
Beispiel
Stpfl. S, der über die B-Bank Geld in Luxemburg angelegt hat, glaubt Zeitungsberichten zufolge, dass auch die B-Bank von der Steufa wegen des Verdachts illegaler Kapitaltransfers durchsucht worden und man ihm dabei auf die Schliche gekommen sei. Er erstattet daher schleunigst Selbstanzeige bzgl. der nichtversteuerten Zinseinkünfte. In Wirklichkeit fand die Durchsuchung aber bei der D-Bank statt. Die Selbstanzeige ist selbstverständlich nicht deshalb unwirksam, weil S irrtümlich angenommen hat, seine Tat sei entdeckt worden.
Rz. 631
Zu der objektiven Tatentdeckung muss hinzukommen, dass der Täter subjektiv davon Kenntnis hatte bzw. damit hätte rechnen müssen. Dieses zusätzliche subjektive Erfordernis besteht seit der Neufassung des § 410 RAO 1949 bzw. 1951, da die vorherige objektive Fassung das Risiko der Bestrafung für den selbstanzeigewilligen Täter nicht völlig ausschloss. Die Tatsache der Tatentdeckung wird ihm häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium des Ermittlungsverfahrens bekannt.
Beispiel 5
A hatte bei einer Bank "zur Steuerhinterziehung" ein schwarzes Bankkonto angelegt. Bei einer Überprüfung der Bank stieß der Prüfer der FinB auf Kontokarten, die auf das erwähnte Konto hinwiesen.
Mit Recht wertete das LG Flensburg das Auffinden der Kontokarten als Entdeckung der Tat. Gleichwohl erkannte es dem A gem. § 410 (heute § 371 AO) Straffreiheit zu, weil ihm die Tatsache der Entdeckung bei Erstattung der Selbstanzeige nicht bekannt war.
Rz. 632
Der fiskalische Charakter des § 371 AO fordert auch im Hinblick auf § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO eine restriktive Auslegung der einzelnen Voraussetzungen (s. Rz. 417 ff.).
2. Objektive Voraussetzungen
a) "Entdeckung"
aa) Erfordernis der eigenen Wahrnehmung
Rz. 633
Bereits vom Wortsinn her setzt der Begriff des "Entdeckens" mehr voraus als die bloße Verdachtsschöpfung. Eine Tat kann i.S.d. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erst dann als entdeckt angesehen werden, wenn der Entdecker zumindest einen Teil des wirklich...