Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
a) "Schusswaffe"
Rz. 56
Es gilt der strafrechtliche Waffenbegriff wie der der §§ 244, 250 StGB, der grundsätzlich enger zu bestimmen ist als der allgemeine formale Begriff nach dem Waffengesetz (vgl. dazu § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Ziff. 1.1).
Schusswaffen sind alle Geräte, die zum Angriff, zur Verteidigung, zum Sport, Spiel oder zur Jagd bestimmt sind und bei denen Geschosse durch einen Lauf nach vorne getrieben werden. Dies kann sowohl durch Explosivstoffe als auch auf andere Weise, z.B. durch Luftdruck (Luftpistolen und Luftgewehre), geschehen. Das gilt nicht nur für Feuer-, sondern auch für Schreckschuss- und Reizstoffwaffen i.S.d. Waffengesetzes. Somit sind auch die geladene Schreckschusspistole und die geladene Gaspistole (str.) als Schusswaffen anzusehen, jedenfalls wenn die Waffe nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist bei Schreckschusswaffen nicht selbstverständlich.
Rz. 57
Die Schusswaffe muss funktionstüchtig und konkret einsetzbar sein. Das ist bei einer ungeladenen Pistole nicht der Fall, es sei denn, die Munition ist jederzeit griffbereit. Eine defekte oder eine gesicherte Waffe, deren Schutzmechanismus nicht überwunden werden kann, zählt ebenso wenig dazu wie eine Attrappe. Es reicht auch nicht aus, dass eine ungeladene oder defekte Waffe als Drohinstrument verwendet werden kann; sie sind dann mangels Eignung keine Waffe, sondern ein sonstiges Mittel oder Werkzeug i.S.d. § 373 Abs. 2 Nr. 2 AO (s. Rz. 65 ff.). Wird sie als Schlagwerkzeug verwandt, kann sie zum Werkzeug i.S.d. § 373 Abs. 2 Nr. 2 AO werden.
Rz. 58
Im Gegensatz zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 und § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d.F. des 6. StrRG vom 26.1.1998 wurde – systemwidrig – bei § 373 Abs. 1 Nr. 1 AO das Beisichführen einer Schusswaffe dem Beisichführen einer "anderen gefährlichen Werkzeugs" nicht gleichgestellt. Damit fällt das bloße Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs nicht unter diese Alternative.
Rz. 59
Einstweilen frei.
b) "Beisichführen"
Rz. 60
Der Täter oder ein anderer Beteiligter muss beim Schmuggel eine Schusswaffe bei sich führen. Dieser Begriff hat eine örtliche und eine zeitliche Komponente.
Rz. 61
In räumlicher Hinsicht reicht es für das Merkmal des "Beisichführens" aus, dass die Waffe dem Täter (oder einem anderen Beteiligten) "zur Verfügung steht", d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befindet, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten, bedienen kann. Demnach braucht der Täter die Waffe nicht unmittelbar bei sich zu tragen; es genügt vielmehr, wenn er in der Lage ist, sie bspw. bei einer Annäherung Dritter jederzeit zu ergreifen und von ihr Gebrauch zu machen. Diese Voraussetzung hat der BGH bei einer Waffe, die sich in einem ca. 200 m vom Tatort abgestellten Fahrzeug befand, verneint
Steuerhinterziehung in der Form des gewaltsamen Schmuggels durch Beisichführen einer Schusswaffe gem. § 373 Abs. 2 Nr. 1 AO liegt vor, wenn sich bei Begehung der Tat eine Schusswaffe auf der zweiten Rückbank des vom Täter geführten Kleinbusses befindet, an die er bei einer Grenzkontrolle durch Öffnen der Seitentür gelangt.
Rz. 62
In zeitlicher Hinsicht setzt das Beisichführen nicht voraus, dass der Täter die Waffe während des gesamten tatbestandsmäßigen Geschehens bei sich führt. Es ist ausreichend, dass dem Täter die Waffen zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuch und Vollendung zur Verfügung standen.
Beispiel 19
Die Angeklagten entzogen gemeinschaftlich eine Lkw-Ladung unversteuerter und unverzollter Zigaretten, die im T1-Versandverfahren – aus London kommend und für Weißrussland abgefertigt – durch Deutschland lediglich durchgeführt werden sollte, der zollamtlichen Überwachung, indem sie in einer Lagerhalle die Zollplomben des Lkw entfernen ließen, um die Zigaretten ohne Entrichtung der anfallenden Abgaben mit Gewinn in Deutschland weiterzuverkaufen. Der Angeklagte W führte bei der Tat einen Gasrevolver mit Gasaustritt durch den Lauf nach vorn einschließlich Munition sowie eine Reizgassprühflasche mit sich.
Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen gewaltsamen und gemeinschaftlichen Schmuggels, obwohl sich der Angeklagte W zum Zeitpunkt, als die Zollplombe entfernt wurde, nicht selbst in der Lagerhalle aufhielt. Es genüge, dass W die Waffen bereits bei sich führte, als er den Lkw tatplangemäß von der regulären Fahrtroute weg zum Abladeort lotste.
Nicht ausreichend ist deshalb das Beisichführen der Waffe im Vorbereitungsstadium (z.B. Fahrt zum Tatort) oder auf der Flucht nach einem missglückten Tatversuch. Es genügt, wenn der Täter die Waffe erst am Tatort an sich nimmt, z.B. wenn der Täter einem Zollbeamten die Dienstwaffe entreißt.
Auch ein Beisichführen nach Vollendung der Tat ist zutr. Ansicht nach nicht tatbestan...