Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 144
§ 373 AO geht als Qualifikationstatbestand den Grundtatbeständen der Steuerhinterziehung und des Bannbruchs (§§ 370, 372 AO) vor, soweit die Hinterziehung von Einfuhrabgaben betroffen ist (so die h.M. zur neuen Fassung des § 373 AO, s. Rz. 10 m.w.N.).
Rz. 144.1
Der Schmuggel gem. § 373 AO verdrängt als spezielles Delikt die gleichfalls verwirklichten Tatbestände der Steuerhinterziehung durch Nicht-Entrichtung der Zollabgaben und von Einfuhrumsatzsteuer.
Vgl. hierzu BGH vom 9.11.2017, dort Rz. 5: "b) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) entfällt, weil es sich bei Schmuggel (§ 373 AO) um einen Qualifikationstatbestand handelt, der den Grundtatbestand des § 370 AO verdrängt. Dies gilt für vor dem 1.1.2008 begangenen Taten selbst dann, wenn – was hier nicht der Fall ist – die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 AO gegeben sind (BGH, Beschl. v. 2.9.2015 – 1 StR 11/15, NStZ 2016, 47; BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – 1 StR 267/14, NStZ 2015, 285 [= wistra 2015, 103], jeweils mwN). Neben dem Zoll stellt auch die Einfuhrumsatzsteuer eine Einfuhrabgabe dar, die vom Qualifikationstatbestand des § 373 Abs. 1 AO erfasst wird [...]"
Rz. 145
Nach früherem Recht resultierten die Konkurrenzprobleme zwischen §§ 370 und 373 AO bei einer schweren Einfuhrabgabenhinterziehung vor allem aus der unterschiedlichen Strafandrohung des Schmuggels (ehemals Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) und den besonders schweren Fällen der Einfuhrabgabenhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 3 AO (sechs Monate bis zu zehn Jahren). Es wäre sinnwidrig gewesen, den höheren Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO allein deshalb nicht anzuwenden, weil zum Grundtatbestand zusätzlich ein Merkmal, das die Tat als Schmuggel qualifiziert, hinzukommt.
Rz. 146
Da aber seit dem 1.1.2008 der Strafrahmen angeglichen wurde (s. Rz. 120 f.), stellt sich das Problem eines Rückgriffs auf § 370 Abs. 3 AO (hier insbesondere Nr. 1 und Nr. 5) nicht mehr auf Konkurrenzebene, sondern wirkt sich vielmehr bei der Strafzumessung auf die Strafrahmenwahl aus (s. Rz. 123).
Rz. 147
Abgrenzungsfragen zwischen § 373 AO und § 370 AO ergeben sich auch aufgrund der unterschiedlichen Transportmodalitäten des Schmuggels (s. auch § 370 Rz. 1539, 1560 f.). Für die Konkurrenzen ist es dann entscheidend, ob das Schmuggelgut in einem anderen EU-Staat zwischengelagert oder direkt nach Deutschland verbracht wird, ob der Transport auf dem Landweg erfolgt oder die Waren direkt (z.B. über Freihäfen oder auf dem Luftweg) nach Deutschland gelangen.
Rz. 147.1
Eine mehrfache Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in Bezug auf dasselbe Steuersubstrat ist nicht möglich. Erfolgt keine rechtliche, sondern lediglich eine tatsächliche Aufnahme von unversteuertem Tabak (in casu Wasserpfeifentabak) in ein Steuerlager, nachdem bereits bei der Einfuhr in das Zollgebiet Tabaksteuer angefallen war, kann mit der rein körperlichen Entnahme der nicht gestellten Menge aus dem Steuerlager nicht erneut Tabaksteuer anfallen. Aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 TabStG ergibt sich nichts anderes.
Rz. 147.2
Zu den Konkurrenzen zwischen §§ 370, 373 und 374 AO sowie der Teilnahme daran bei illegaler Einfuhr von Zigaretten aufgrund neuerer BGH-Rspr. s. auch § 370 Rz. 1548.1 f.; § 374 Rz. 121 ff.
Zum Verhältnis von §§ 370 Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3 und § 374 AO beim Verbringen s. BGH vom 24.4.2019.
Rz. 147.3
Zum Verhältnis von § 373 und § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO s. Rz. 139.3.
Rz. 148
Zwischen Bandenschmuggel und versuchter Steuerhinterziehung kann Tatmehrheit vorliegen.
Rz. 149
Tatmehrheit zwischen Schmuggel und Steuerhinterziehung (betr. deutsche Verbrauchsteuern) durch Unterlassen liegt vor bei vorschriftswidrigem Verbringen der Waren aus einem Drittland in den freien Verkehr eines EU-Mitgliedstaats, wenn sie vor Beendigung des Schmuggels gem. § 373 Abs. 1, 4 AO von dort unter Verstoß gegen steuerliche Pflichten nach Deutschland gebracht werden.
Rz. 150
Schmuggel und Umsatzsteuerhinterziehung stehen in Tatmehrheit zueinander.
Die Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer (Schmuggel) und die Hinterziehung der aus dem nachfolgenden Verkauf der geschmuggelten Ware anzumeldenden Umsatzsteuer sind als zwei Taten im materiellen Sinn (§ 53 StGB) abzuurteilen. Sie bilden – so der BGH vom 4.9.2013 – auch keine prozessuale Tat i.S.v. § 264 StPO. Es bestünden keine sich aus dem materiellen Steuerrecht ergebenden so engen Verzahnungen wie im Verhältnis zwischen den Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres. Auch aus dem Zweck der Einfuhr, den endgültigen Eingang der Umsatzsteuer sicherzustellen, folge nichts anderes.
Bereits in seiner Entscheidung vom 22.5.2012 hat der BGH ausgeführt, dass eine rechtskräfti...