Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 35
Anders als nach früherem Recht muss der Vortäter nicht sämtliche subjektiven Voraussetzungen (Schuldfähigkeit, Unrechtsbewusstsein, Schuldform) der Vortat erfüllt haben.
Rz. 36
Die Schuldunfähigkeit des Vortäters (vgl. § 20 StGB; § 1 Abs. 3 JGG) schließt eine Strafbarkeit des Nachtäters wegen Hehlerei nicht aus (zu § 259 StGB). Es genügt, wenn der Vortäter mit natürlichem Vorsatz gehandelt hat.
Rz. 37
Es genügt damit, dass die Vortat, also die Zoll- oder Verbrauchsteuerhinterziehung bzw. der Bannbruch, als rechtswidrige Tat (zum Begriff vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB, s. § 369 Rz. 53) begangen wurde, d.h. sie muss tatbestandsmäßig und rechtswidrig, nicht notwendig schuldhaft sein.
Rz. 38
Hehlerei ist auch möglich, wenn die Vortat wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden kann.
Rz. 39
Auch das Fehlen des Unrechtsbewusstseins, insbesondere ein etwaiger Verbotsirrtum des Vortäters gem. § 17 StGB (s. dazu § 370 Rz. 676 ff.), ist für die Strafbarkeit des Anschlusstäters unbeachtlich. Er schließt, wenn er unvermeidbar war, nur die Schuld, nicht aber den Vorsatz aus. Bei Vermeidbarkeit liegt nur ein fakultativer Strafmilderungsgrund vor.
Was die Perpetuierung steuerrechtswidriger Zustände (s. Rz. 9 ff.) betrifft, bedarf es lediglich der objektiven Steuerrechtswidrigkeit des durch den Vortäter tatbestandsmäßig und rechtswidrig hergestellten Zustandes. Ein auf dieses Unrecht bezogenes Bewusstsein des Vortäters ist hingegen nicht erforderlich.
Rz. 40
Dem Fehlen des Unrechtsbewusstseins des Vortäters stehen, was die Strafbarkeit des Hehlers anlangt, sonstige Schuldausschließungsgründe (z.B. Nötigungsnotstand) gleich.
Rz. 41
Die Beachtlichkeit eines Tatbestandsirrtums (§ 16 Abs. 1 StGB) des Vortäters ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung. Es wäre zwar gerade im Hinblick auf die ratio der Hehlereivorschriften vertretbar, den Nachtäter allein wegen der Perpetuierung des durch den Vortäter objektiv angerichteten Unrechts zu bestrafen. Eine derartige Beurteilung ginge indessen in eindeutiger Weise zu Lasten des Nachtäters über den Normtext der einschlägigen Vorschriften, insbesondere den Wortlaut des § 374 Abs. 1 AO, hinaus. Die Strafbarkeit wegen Steuerhehlerei ist nach § 374 Abs. 1 AO ausdrücklich an eine der Nachtat vorausgehende Begehung einer Steuerhinterziehung oder eines Bannbruchs geknüpft. Sowohl die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) als auch der Bannbruch (§ 372 Abs. 2, § 373 AO) können nur vorsätzlich begangen werden. Hat der Vortäter nicht vorsätzlich gehandelt, scheidet eine Bestrafung des Nachtäters wegen Steuerhehlerei aus. Zum Irrtum über den Steueranspruch s. grundlegend § 370 Rz. 661 ff.).
Rz. 42
Zu den subjektiven Voraussetzungen einer (Mineralöl-)Steuerhinterziehung als Vortat einer Steuerhehlerei vgl. BFH vom 8.11.1988.
Rz. 43
Dem Mangel des Vorsatzes, insbesondere dem Tatbestandsirrtum, steht der Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen gleich (zu diesem sog. Erlaubnistatbestandsirrtum allgemein s. § 370 Rz. 648).