Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
I. Verhältnis der Steuerhehlerei zur Täterschaft und Teilnahme an der Vortat
Rz. 70
Bei der Sachhehlerei ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 259 StGB, dass Täter oder Mittäter der Vortat nicht der Hehler sein kann. Danach muss es sich um eine Sache handeln, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine Straftat erlangt hat.
Bei der Steuerhehlerei (§ 374 AO) ist dies nicht tatbestandlich bestimmt. Gleichwohl kann auch hier – trotz des anderslautenden Wortlauts – nach überwiegender Ansicht derjenige, der z.B. eine Steuerhinterziehung als Täter oder Mittäter begangen hat, grds. nicht zugleich Hehler sein. Teils wird dieses Ergebnis auf der Tatbestandsebene oder der Konkurrenzebene (mitbestrafte Nachtat; s. dazu auch BGH in Rz. 30, 60) gelöst, teils auf allgemeine Erwägungen gestützt.
Eine Ausnahme nimmt eine Ansicht – wie bei der Sachhehlerei – an, wenn der Vortäter die geschmuggelte Ware nachträglich aus dritter Hand oder nach Verteilung der Beute von einem Mittäter erwirbt.
Rz. 71
Wer sich an der Vortat (Steuerhinterziehung oder an dem Bannbruch) als Anstifter oder Gehilfe beteiligt hat, kann sich dagegen nach h.M. in Rspr. und Literatur auch wegen – rechtlich selbständiger – Hehlerei strafbar machen; sogar das bereits zur Zeit der Teilnahmehandlung vorhandene Abzielen auf einen Anteil an der Beute soll insoweit unschädlich sein.
Rz. 72
Auch der Vortäter, der den Hehler zu seiner Tat anstiftet, ist grds. Anstifter. Es handelt sich aber für ihn um eine mitbestrafte Nachtat, da sie allein auf die Verwertung des Erfolgs der Vortat ausgerichtet ist und keine weitere Rechtsgutverletzung bewirkt.
Der BGH vom 11.7.2019 (s. nachstehendes Beispiel) hat hierzu grundsätzliche Ausführungen zum Verhältnis zwischen den Taten eines Vormannes, der Beteiligung durch den nachfolgenden Steuerhehler und der Steuerhehlerei selbst gemacht.
Beispiel 11
In der Zeit von 2016 bis 2017 bestellte der Angeklagte bei seinen beiden Lieferanten in Polen in insgesamt 14 Fällen jeweils unversteuerte Zigaretten in einer Menge zwischen 65 und 200 Stangen zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs, die noch am selben Tag oder an einem der Folgetage durch die Lieferanten von Polen nach Deutschland geliefert und vom Angeklagten übernommen wurden. Die zu liefernden Zigaretten wurden dabei von den Lieferanten überwiegend in Heimarbeit selbst produziert. In fünf weiteren Fällen erfolgten ebenfalls entsprechende Bestellungen bei den beiden Lieferanten in Polen, wobei es jedoch jeweils unmittelbar vor der Auslieferung an den Angeklagten zu einer Sicherstellung der Zigaretten durch die Ermittlungsbehörden kam, ohne dass der Angeklagte die Waren erhielt.
Darüber hinaus bestellte der Angeklagte in einem weiteren Fall 2016 von einem unbekannten Verkäufer in Deutschland 500 Stangen unverzollte Zigaretten, die noch am selben Tag an den Angeklagten zum Weiterverkauf geliefert wurden. In 2017 kam es zu einer zusätzlichen Bestellung von 300 Stangen unverzollter Zigaretten bei dem Geschäftspartner H. in Deutschland, die ebenfalls am selben Tag noch an den Angeklagten geliefert und zum Weiterverkauf übergeben wurden.
Der BGH hob die Verurteilung des LG Frankfurt/O., das den Angeklagten auch wegen Beteiligung an den Vortaten verurteilt hatte auf die Revision hin auf und stellte dazu klar:
(1) Wer von Deutschland aus (hier bei einem Polen) unversteuerte Zigaretten bestellt, die dieser selbst gedreht hat (oder deswegen dreht), stiftet diesen zur Steuerhinterziehung an (je nach Sachverhalt: § 370 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 AO, § 26 StGB). BGH – 1 StR 634/18 Rz. 10–13.
(a) Erhält er die Zigaretten, so hat er eine vollendete Steuerhehlerei in der Form des Ankaufs begangen, hinter der die Anstiftung (§ 26 StGB) zur Steuerhinterziehung des Vormanns als mitbestrafte Vortat hinter der dadurch verwirklichten Steuerhehlerei zurücktritt und nicht mehr selbständig bestraft werden kann. BGH – 1 StR 634/18 Rz. 14–17.
(b) Soweit der Angeklagte die Zigaretten jedoch nicht erlangt hatte (wegen vorheriger Sicherstellung), liegt allein eine Anstiftung zur Steuerhinterziehung seines Vormanns vor. Der BGH billigte insoweit das Urteil der Vorinstanz, wies aber ergänzend darauf hin, dass es den Angeklagten nicht beschwere, dass das LG nicht zusätzlich die Verwirklichung täterschaftlich versuchter Steuerhehlerei geprüft habe. BGH – 1 StR 634/18 Rz. 21.
Daraus ist zu schließen, dass der Senat im Hinblick auf eine lediglich versuchte Steuerhehlerei die Anstiftung nicht ebenfalls als mitbestrafte Vortat ansieht.
(2) Im Fall der Anstiftung des Vormanns nicht zur Steuerhinterziehung, sondern zur Steuerhehlerei, ist zu differenzieren:
(a) Wirkt der Anstifter auf seinen Vormann erst zu einem Zeitpunkt ein, zu dem die Zigaretten im Inland bereits zur Ruhe gekommen waren, so hat sich der Vormann als Verkäufer nicht der Hinterziehung von Tabaksteuer schuldig gemacht, so dass es an einer Vortat fehlt. BGH – 1 StR 634/18 Rz. 19 unter Berufung auf BGH v. 24.4.2019 – 1 StR 81/18 (s. Rz. 122.2).
(b) Stifte...