Rz. 16
Als Ausnahmevorschrift war § 375a AO eng auszulegen, sie bezog sich ausschließlich auf Steueransprüche, die von § 73e StGB a.F. zwar erfasst, aber durch Verjährung untergegangen waren. Andere Ansprüche oder andere Erlöschensgründe wurden von § 375a AO a.F. nicht erfasst, so dass insoweit die allgemeinen Regeln anzuwenden waren.
Rz. 17
Der § 375a AO ersetzende § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB erfasst hingegen auch andere Ansprüche, nicht aber andere Erlöschensgründe.
1. Erfasste (Steuer-)Ansprüche
Rz. 18
§ 375a AO a.F. und § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB statuieren, dass in Abweichung von § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB die Verjährung von (Steuer-)Ansprüchen deren Einziehung nicht hindert. Welche (Steuer-)Ansprüche aber überhaupt der Einziehung unterliegen, regelt weder § 375a AO a.F. noch § 73e Abs. 1 StGB, sondern geht der Anwendung des § 73e StGB voraus. Gemäß §§ 73, 73c StGB ist das erlangte Etwas bzw. dessen Wert einzuziehen. Dies ist bei der Steuerhinterziehung nach st. Rspr. die ersparte Steuer. Zinsen sind hingegen nur dann einzuziehen, wenn sie tatsächlich erwirtschaftet wurden (§ 73 Abs. 2 StGB: "Nutzungen aus dem erlangten Etwas gezogen"), nicht bereits dann, wenn sie gesetzlich geschuldet (§ 235 AO) werden.
Rz. 19
Entsprechendes gilt für andere von § 73e StGB erfasste Ansprüche, so dass zwar bspw. die Zollschuld trotz Verjährung (Art. 124 Abs. 1 Buchst. a, Art. 103 UZK; Rz. 3) eingezogen werden kann, nicht aber der auf den Anspruch entfallende Verzugszins gem. Art. 114 UZK.
Rz. 20
Einstweilen frei.
2. Erfasste Erlöschensgründe
Rz. 21
§ 375a AO a.F. und § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB erfassen den Fall des Erlöschens der Steuerforderung durch Verjährung. Zu anderen Erlöschensgründen treffen diese Normen keine Aussage. Bei derartigen anderen Erlöschensgründen sind die allgemeinen Regeln des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB anzuwenden, so dass im Falle eines Erlöschens die Einziehung scheitert. Das Erlöschen von Steueransprüchen ist in § 47 AO geregelt:
§ 47 AO Erlöschen
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.
Rz. 22
§ 47 AO ist nicht abschließend ("insbesondere"), bezieht sich allerdings sowohl auf die Festsetzungs- (§§ 169 ff. AO) als auch auf die Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO). Ob allerdings bspw. eine tatsächliche Verständigung, ein bestandskräftiger Steuerbescheid oder ein rechtskräftiges FG-Urteil einer Einziehung gem. § 73e StGB entgegenstehen, ist offen.
Rz. 23
Laut BGH ist der Begriff des Erlöschens in § 73e StGB und § 47 AO identisch zu verstehen, was zunächst jedenfalls nicht für eine Anerkennung der vorgenannten Fälle als Erlöschensgründe spricht. Allerdings dienen die §§ 73 ff. StGB dem Zweck, unrechtmäßige Vermögensverschiebungen aufzulösen. Mit der Rechts-/Bestandkraft oder Bindungswirkung von Urteilen, Bescheiden und wirksamen tatsächlichen Verständigungen ist eine Rechtsbefriedung verbunden, die eine von der Rechtsordnung anerkannte, prozedurale Sperre für die Geltendmachung der abgehandelten Ansprüche darstellt. Wenn aber die bestehende Vermögenslage aus Rechtsgründen hinzunehmen/anzuerkennen ist, sollte § 73e StGB keinen Anwendungsbereich haben, zumal er dem Gesetzgeber folgend "vergleichsfreundlich" anzuwenden ist. Diese Problematik stellt sich im Steuerrecht insbesondere, wenn bis zur Einziehungsentscheidung einer der vorgenannten Fälle, namentlich eine tatsächliche Verständigung, vorliegt (vgl. auch § 399 Rz. 65.1 ff.). Dies ist auch mit Blick auf die mögliche Einziehung bei Dritten von Bedeutung.
Rz. 24– 25
Einstweilen frei.