Rz. 148
Als besonders wichtige und erst durch das EGStGB in das Gesetz aufgenommene Unterbrechungshandlung kommt die erste Vernehmung des Beschuldigten durch die StA/FinB, die Polizei/Steufa oder durch das Zollfahndungsamt in Betracht (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB ). Unter "erster Vernehmung" ist eine Vernehmung i.S.v. § 163a i.V.m. § 136 StPO zu verstehen (s. § 385 Rz. 195 ff.). Ob sich der Beschuldigte zur Sache äußert, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Rz. 149
Der ersten Vernehmung des Beschuldigten ist ihre Anordnung gleichgestellt. Sie braucht nicht zur Kenntnis des Beschuldigten zu gelangen. Eine mündliche Anordnung genügt nur dann, wenn sie aktenkundig gemacht worden ist; dies sollte entgegen BGH unverzüglich geschehen müssen. Ein allgemeiner Ermittlungsauftrag an die Polizei reicht selbst dann nicht aus, wenn er die Vernehmung des Beschuldigten einbezieht.
Rz. 150
Weiterhin gleichgestellt ist die Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegenüber dem Beschuldigten oder ihre Anordnung (vgl. § 397 Abs. 3 AO; s. § 385 Rz. 123 ff.). Dies soll auch gelten, wenn die Bekanntgabe – z.B. durch Übermittlung der Akten – an den Verteidiger erfolgt ist. Letzteres erscheint angesichts des Wortlauts der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift (Rz. 134) zweifelhaft. Dagegen spricht auch der Vergleich des Unterbrechungsgrunds des § 376 Abs. 2 mit § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, § 378 Abs. 3 AO; während für die Unterbrechung die Einleitungsmitteilung an den Betroffenen erfolgen muss, genügt es für die Selbstanzeigesperre, wenn die Einleitung gegenüber "seinem Vertreter" erfolgte. Unabhängig davon wird man mit der Entscheidung des BGH vom 11.12.2007 zumindest fordern müssen, dass
"aus den Umständen klar ersichtlich wird, dass die dem Verteidiger gewährte Akteneinsicht zur Information des Beschuldigten über Existenz, Inhalt und Umfang des Ermittlungsverfahrens dienen soll und auch tatsächlich gedient hat."
Diesbezügliche Zweifel sind zugunsten des Beschuldigten aufzulösen (Rz. 60 f.).
Eine bestimmte Form ist für die Bekanntgabe nicht vorgeschrieben, sie muss inhaltlich aber deutlich machen, dass gegen den Adressaten als Beschuldigten Ermittlungen wegen einer bestimmten Tat eingeleitet sind. Ein hektographiertes Schreiben mit formelhaftem Text reicht ebenso wenig aus wie ein pauschal formuliertes Formblatt.
Rz. 151
Die in § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB bezeichneten Maßnahmen stehen alternativ nebeneinander, nicht kumulativ. Folgt also der Anordnung die erste Vernehmung, bzw. der ersten Vernehmung die Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens, so wird die Verjährung nur durch die zuerst ergriffene Maßnahme – i.d.R. also durch die Anordnung der Vernehmung – unterbrochen, nicht aber erneut durch die späteren Handlungen. Etwas anderes gilt, wenn den in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Maßnahmen eine richterliche Vernehmung (Abs. 1 Nr. 2) nachfolgt (s. Rz. 152).