1. Berücksichtigung der Verjährung bis zur Rechtskraft des Strafausspruchs
Rz. 46
Als Grundsatz gilt, dass das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung von Amts wegen in allen Abschnitten des Strafverfahrens bis zu dem Zeitpunkt zu beachten ist, in dem die Strafvollstreckung erstmals möglich wird, d.h. bis zur Rechtskraft des Strafausspruchs. Mit Rechtskraft endet die Verfolgungsverjährung. Es beginnt die Strafvollstreckungsverjährung, § 369 Abs. 2 AO, § 79 Abs. 6 StGB. Die Rechtsfolge der Verfolgungsverjährung ist daher noch zu berücksichtigen, wenn sich der Ablauf der Verjährungsfrist erst in der Revisionsinstanz herausstellt. Nach BGH vom 26.6.1958 gilt dies selbst dann, wenn der Schuldspruch bereits rechtskräftig geworden und das Rechtsmittel nur hinsichtlich der Strafzumessung oder Strafaussetzung zur Bewährung eingelegt worden ist. Voraussetzung ist hierbei aber stets die Zulässigkeit des Rechtsmittels.
2. Beseitigung rechtskräftiger Entscheidungen
Rz. 47
Umstritten ist die Behandlung der Verfolgungsverjährung nach Beseitigung rechtskräftiger Entscheidungen. Sie kann erfolgen durch
Nach der Rspr. soll mit Beseitigung der Rechtskraft einer Entscheidung der Lauf der Verfolgungsverjährung neu beginnen.
Demgegenüber wird zunehmend befürwortet, dass sich mit Beseitigung des rechtskräftigen Erkenntnisses lediglich der Lauf der alten, bis dahin ruhenden Verjährung fortsetze, wobei die Zeit der rechtskräftigen Verurteilung nicht in die Berechnung der Verjährungsfrist einzubeziehen sei.
Rz. 48
Der Auffassung, die den Beginn einer neuen Verfolgungsverjährung ablehnt, wird der Vorzug zu geben sein. Sie wird damit begründet, es fehle in Abweichung vom früheren Recht an einer Grundlage für den Neubeginn der Verjährung, da der Fristbeginn der Verjährung in § 78a StGB abschließend geregelt sei und der Katalog der Unterbrechungshandlungen gem. § 78c Abs. 1 StGB n.F. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht berücksichtige. Entscheidend kommt hinzu, dass sowohl die Wiederaufnahme und die Wiedereinsetzung als auch die Aufhebung durch das BVerfG das zunächst rechtskräftige Urteil mit Rückwirkung beseitigen und daher das Verfahren in die frühere Lage zurückversetzen. Bei der Wiederaufnahme geschieht dies zurück auf den Stand des Eröffnungsbeschlusses, bei der Wiedereinsetzung auf den Stand, den das Verfahren hätte, wenn die Frist nicht versäumt worden wäre, und bei der Aufhebung durch das BVerfG gem. § 95 Abs. 2 BVerfGG nach Maßgabe seiner Entscheidung. Wird aber die Strafverfolgung in einem der bezeichneten Verfahrensabschnitte wieder aufgenommen, so erscheint es sachgerecht, auch den Lauf der Verfolgungsverjährung dort wieder einsetzen zu lassen, wo die nunmehr revidierte Behandlung der Sache ihrer erneuten Prüfung und Verhandlung zuzuführen ist. Nicht zu überzeugen vermögen die Einwände, dass eine zwischenzeitliche Strafvollstreckung Gefahr liefe, ihre Grundlage zu verlieren, und der etwa mit unlauteren Mitteln zum Freispruch gelangte Abgeurteilte möglicherweise eine unverdiente Besserstellung erfahre. Das Postulat, bereits vollzogene Vollstreckungsmaßnahmen nachträglich einer Bestätigung zuzuführen, nachdem der zugrunde liegenden Entscheidung die Rechtskraft entzogen wurde, entbehrt einer rechtssystematischen Grundlage. Ihm steht auch kein rechtspolitisches Gebot zur Seite. Es entspricht dem Wesen der Verjährung, gleich welcher Theorie man insoweit folgt (s. Erl. zu Rz. 44), dass sie einen zeitlichen Schlusspunkt setzen soll. Die nicht aus der Welt zu schaffende Tatsache, dass ein Urteil rechtskräftig wurde, welches die weitere Strafverfolgung zunächst hinderte, findet eine angemessene Berücksichtigung darin, dass die Zeit der Rechtskraft des später aufgehobenen Urteils aus dem Rechtsgedanken des § 78b Abs. 2 StGB heraus nicht in die Verjährungsfrist einzubeziehen ist.