Rz. 101
Unternehmen stehen in der jüngsten Vergangenheit in zunehmendem Maße vor der Frage, ob sie Geldstrafen/Bußgelder (sog. Strafgelder), die gegen Mitarbeiter verhängt wurden, sowie die damit verbundenen Verteidigungskosten übernehmen können. Dabei sind sowohl steuerliche als auch strafrechtliche Aspekte (§§ 258, 266 StGB) zu berücksichtigen.
Rz. 102
Die Übernahme von Geldstrafen durch Unternehmen für ihre Mitarbeiter stellt nach heute einhelliger Ansicht keine Strafvereitelung i.S.d. § 258 Abs. 2 StGB dar. Dies wird damit begründet, dass ein Dritter, der – ohne in den äußeren Ablauf der Vollstreckung einzugreifen – nur dazu beitrage, dass der Verurteilte von der Strafe nicht oder weniger "persönlich betroffen" sei, den staatlichen Strafanspruch nicht vereitele. Das Verbot jedweder Zuwendungen an den zu einer Geldstrafe Verurteilten, die den Strafzweck vereiteln könnte, würde in einer nicht mehr tragbaren Weise in private Beziehungen eingreifen und die Gefahr begründen, ein sozialadäquates Verhalten unter Strafe zu stellen. Die Übernahme von Geldbußen nach dem OWiG fällt ebenfalls nicht unter den Tatbestand der Strafvereitelung. Da der Gesetzeswortlaut verlangt, dass eine dem "Strafgesetz gemäße" Rechtsfolge vereitelt werden muss, erfüllt das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nicht den Tatbestand des § 258 StGB. Im Übrigen stellt auch die Übernahme von Verteidigungskosten durch den Arbeitgeber keine Strafvereitelung dar, da das Verteidigerhonorar weder der Bestrafung wegen einer rechtswidrigen Tat dient noch eine Maßnahme i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB darstellt.
Rz. 103
Dagegen lässt sich weniger generalisierend beantworten, ob durch die Übernahme von Strafgeldern oder Verteidigerkosten der Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) erfüllt wird. Als taugliche Täter kommen neben den für eine Zusage der Übernahme der Sanktionszahlungen zuständigen Geschäftsführen bzw. Vorstand auch die Mitglieder der Aufsichtsorgane in Betracht. Diese haben gegenüber der Gesellschaft eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB, so dass sich diese jedenfalls prinzipiell wegen Untreue zum Nachteil ihrer Gesellschaft strafbar machen können. Gleiches gilt für leitende Angestellte, wie beispielsweise Prokuristen (§§ 48, 49 HGB). Darüber hinaus kommen unter Umständen auch niedrigere Hierarchieebenen als taugliche Täter in Betracht. Insoweit bedarf es jeweils einer Prüfung im Einzelfall. Selbst wenn es sich um einen tauglichen Täter handelt, ist weitere Voraussetzung u.a., dass das Handeln als eine strafbewehrte Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB zu werten ist. Hier wird nach zutreffender Ansicht der auch von der zivilrechtlichen Rspr. akzeptierte Spielraum eines Unternehmers bzw. Leitungsorgans bei seinen Entscheidungen zu beachten sein. Die Übernahme von Geldstrafen, Geldbußen, aber auch Geldauflagen im Bereich der Privatwirtschaft kann jedenfalls dann grundsätzlich nicht pflichtwidrig sein, wenn sich die Übernahme am Unternehmenswohl orientiert und nicht gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensführung verstößt. Anders stellt sich die Situation im Bereich der öffentlichen Verwaltung dar. Maßgebend ist somit, ob sich die Übernahme der Geldsanktion wirtschaftlich sinnvoll, vom Unternehmenswohl gedeckt und vom unternehmerischen Entscheidungsspielraum umfasst darstellt. Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung der Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen.
Rz. 104
Die Zahlung der Verteidigerkosten kann aus dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht geboten sein und die Erfüllung des Tatbestands der Untreue ausschließen. So wird grundsätzlich eine Verpflichtung des Unternehmens zur Übernahme der Verfahrenskosten, die auch die Kosten der Beratung und Verteidigung erfassen, bejaht, was dazu führt, dass es an einer Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 StGB fehlt. Dies setzt jedoch voraus, dass der Aufwand nicht in den privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers fällt, sondern dem Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist, was bei Steuerordnungswidrigkeiten regelmäßig der Fall ist. Die Kostenübernahme soll selbst für den Fall eines vorsätzlichen Handelns möglich sein, sofern kein erhebliches Verschulden vorliegt. Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen Verteidigerhonorar nur unter dem Vorbehalt übernehmen, dass eine Rückzahlungspflicht bei erheblichem Verschulden besteht.
Rz. 105
Anders als bei den Verteidigungskosten wird eine Verpflichtung des Unternehmens zur Übernahme von Strafgeldern weitgehend abgelehnt. Eine Pflichtverletzung i.S.d. § 266 StGB scheidet aber auch bei einer freiwilligen Übernahme von Strafgeldern aus, wenn die Übernahme der Zahlungen auch im Interesse ...