I. Ordnungswidrigkeit
Rz. 4
Nach § 377 Abs. 1 AO sind Steuerordnungswidrigkeiten (Zollordnungswidrigkeiten) Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können. Steuerordnungswidrigkeiten (Zollordnungswidrigkeiten) werden damit zum einen durch die Bußgeldandrohung (s. Rz. 27 ff.) und zum anderen durch den Verstoß gegen eine Steuer- bzw. Zollnorm (s. Rz. 11 ff.) gekennzeichnet. Das allgemeine Ordnungswidrigkeitenrecht bestimmt den Begriff der Ordnungswidrigkeit unabhängig von ihrem materiellen Unrechtsgehalt allein nach dem formalen Kriterium der Bußgeldandrohung. Gemäß § 1 Abs. 1 OWiG ist eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt. Ergänzend wird durch die Legaldefinition des § 377 Abs. 1 AO der Begriff der Steuerordnungswidrigkeiten auf Zuwiderhandlungen gegen Steuergesetze beschränkt. Steuergesetz i.S.v. § 377 Abs. 1 AO ist jede Rechtsnorm (vgl. § 4 AO), welche die Ermittlung oder Erklärung von Besteuerungsgrundlagen oder die Anmeldung, Festsetzung, Erhebung oder Vollstreckung einer Steuer regelt, für deren Verwaltung die AO gilt. Damit wird die Geltung auf inländische Steuergesetze (also inländische Steuern) beschränkt. § 370 Abs. 6 AO ist nur für den Straftatbestand der Hinterziehung gem. § 370 Abs. 1 AO anwendbar.
Rz. 5
Die Abgrenzung zu nichtsteuerlichen Ordnungswidrigkeiten ist vor allem bedeutsam im Hinblick auf die Verfolgungs- und Ahndungskompetenz der FinB. Die FinB (BuStra) führt Verfahren wegen Steuerordnungswidrigkeiten und wegen der Ordnungswidrigkeiten nach dem Steuerberatungsgesetz eigenverantwortlich als zuständige Verfolgungsbehörde (§§ 387, 409 AO, § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG; Nr. 109 AStBV (St) 2023 [s. AStBV Rz. 109], s. auch § 410 Rz. 4 ff.). Innerhalb der Finanzverwaltung ist das BZSt zuständige Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 26a Abs. 2 Nr. 5 und 6 UStG (§ 26a Abs. 4 UStG) sowie § 50e Abs. 1 EStG (§ 50e Abs. 5 EStG), Nr. 109 Abs. 5 AStBV (St) 2023 (s. AStBV Rz. 109).
Rz. 6
Eine Steuerordnungswidrigkeit ist daher gem. § 377 Abs. 1 und 2 AO, § 1 Abs. 1 OWiG eine rechtswidrige und vorwerfbare Zuwiderhandlung gegen Steuergesetze, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Das Gesetz spricht in Anbetracht des unterschiedlichen Unrechtsgehalts der Ordnungswidrigkeit gegenüber der Straftat bewusst nicht von einer "Tat", sondern von einer "Handlung" und vermeidet den Begriff "Schuld" durch die Verwendung des Begriffs "vorwerfbar". Dennoch sind die Voraussetzungen, unter denen eine Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, mit denjenigen einer Straftat vergleichbar:
- Die Handlung muss den Tatbestand einer Bußgeldnorm sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht (s. dazu vor allem Rz. 52 ff.) erfüllen.
- Das Verhalten muss rechtswidrig sein (s. dazu Rz. 78 ff.). Die Verwirklichung des Tatbestands ist dabei regelmäßig das Indiz der Rechtswidrigkeit. Ausnahmen bestehen bei Rechtfertigungsgründen.
- Die Vorwerfbarkeit des Handelns ist in der Regel bei vorsätzlicher oder fahrlässiger/leichtfertiger Begehungsweise gegeben. Der Täter muss verantwortlich gehandelt haben und zur Einsicht in das Unerlaubte seines Tuns imstande gewesen sein (s. dazu Rz. 80 ff.).
Rz. 7– 10
Einstweilen frei.
II. Zuwiderhandlungen gegen Steuergesetze
Ergänzender Hinweis: Nr. 105, 106 AStBV (St) 2023 (s. AStBV Rz. 105 f.).
Rz. 11
Eine Zuwiderhandlung gegen Steuergesetze liegt vor, wenn der Täter gegen eine Rechtspflicht verstoßen hat, die ihm im Interesse der Besteuerung auferlegt ist. Die meisten steuerlichen Rechtspflichten ergeben sich aus den einzelnen Steuergesetzen und dem 1. und 2. Teil der AO. Sie können jedoch auch in den Bußgeldvorschriften selbst oder den Durchführungsbestimmungen zu den einzelnen Steuergesetzen enthalten sein. Eine Zuwiderhandlung gegen Steuergesetze kann nur dann mit Geldbuße geahndet werden, wenn sie tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorwerfbar ist (vgl. § 1 Abs. 1 OWiG). Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gelten die Grundsätze "nulla poena sine culpa" und "in dubio pro reo".
Rz. 12
Der Bußgeldtatbestand muss in einem "Steuergesetz" enthalten sein. Steuergesetz in diesem Sinne ist jede steuerlichen Zwecken dienende Rechtsnorm, und zwar von der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen bis hin zur Beitreibung des Steueranspruchs. Der Gesetzesbegriff ist im materiellen Sinne zu verstehen, so dass auch Verordnungen oder Satzungen erfasst werden. Zu den Steuergesetzen gehören insbesondere die AO selbst un...