1. Tätigkeiten
Rz. 439
Ein steuerlicher Berater kann das Unternehmen dabei unterstützen, den Ist-Zustand zu analysieren und aus dem Vorhandenen ein geeignetes System zu gestalten. Ist sodann ein System implementiert, muss dieses auf dem aktuellen Stand gehalten werden – auch hier kann externe Kompetenz hilfreich sein. Die meisten Tax CMS sollten neben der schriftlichen Dokumentation von Richtlinien, Checklisten und Arbeitsanweisungen auch Kontrollvorschriften enthalten (Stichwort "Vier-Augen-Prinzip", Freigabemechanismen, Abstimmungshandlungen etc.). Teile dieser Kontrolltätigkeiten könnten auf einen externen Berater ausgelagert werden.
Rz. 440
Ferner kann ein Steuerberater das bereits implementierte System einer Prüfung unterziehen und Handlungsempfehlungen bei festgestellten Lücken abgeben. Die Erteilung eines Testats (inklusive Prüfungsbericht) für ein Tax CMS stellt hingegen einen Anwendungsfall des IDW PS 980 dar, so dass dies in das Tätigkeitsfeld der Wirtschaftsprüfer fällt. Eine solche Prüfung gibt dem jeweiligen Unternehmen natürlich Aufschluss über die eigene "Compliance Landschaft" und hilft dabei, mögliche "Löcher zu stopfen". Nicht einzelne Fehler oder Regelverstöße sollen im Rahmen einer Angemessenheits- und/oder Wirksamkeitsprüfung aufgedeckt werden, sondern vielmehr eine Aussage über das System als solches getroffen werden.
Ob und inwieweit ein Prüfungsbericht i.S.d. IDW PS 980 auch im Hinblick auf eine Belegfunktion und eine Exkulpation gegenüber der Finanzverwaltung Anwendung findet, ist unklar.
2. Grenzen
Rz. 441
Auch wenn ein beauftragter Steuerberater eine Vielzahl von Dienstleistungen und Unterstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Analyse, Implementierung und Dokumentation eines Kontrollsystems leisten und somit zusätzliche Sicherheit für das Tax CMS schaffen kann, so sind dieser Tätigkeit Grenzen gesetzt:
Die Verantwortung über das Tax CMS liegt in letzter Instanz bei den gesetzlichen Vertretern des Unternehmens – diese Verantwortung kann auch nicht vollständig delegiert werden. Dies trifft auch auf die Verantwortung für die Überwachung delegierter Aufgaben zu. So können bspw. die Organmitglieder die hauseigene Steuerabteilung oder einen Steuerberater mit der Erstellung einer Steuererklärung beauftragen. Grundsätzlich kann sich der Delegierende zwar nach dem sog. "Vertrauensgrundsatz" auf die sorgfältige Erledigung der übertragenen Aufgaben verlassen, solange ihm keine gegenteiligen Hinweise vorliegen. Jedoch bleiben die Organmitglieder bspw. für die fristgerechte Abgabe der Erklärung mitverantwortlich. Gleiches gilt bei der Aufgabenverteilung unter den Organmitgliedern. Auch wenn einem sorgfältig ausgesuchten Organmitglied die Verantwortung im Zusammenhang mit steuerlichen Pflichten übertragen wurde, bleiben die anderen Organmitglieder grundsätzlich hinsichtlich der Überwachung der steuerlichen Pflichterfüllung mitverantwortlich. Im Unternehmenszusammenhang ist daher bei der (horizontalen und vertikalen) Aufgabendelegation die Vorschrift des § 130 OWiG zu beachten, der die Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen mit einem Bußgeld bedroht. So kann je nach Einzelfall die Handlungspflicht – und damit die Verantwortlichkeit und das Haftungsrisiko der einzelnen Organmitglieder – zur Auswahl-, Instruktions- und/oder Überwachung trotz verbleibender (Letzt-)Verantwortung durch Hinzuziehung fachkundiger (interner oder externer) Hilfe erheblich eingeschränkt werden.
Werden Tätigkeiten im Rahmen der Erfüllung steuerlicher Pflichten des Unternehmens auf qualifizierte Dritte übertragen, hat das Unternehmen daher sicherzustellen,
- dass der Dritte vollständig über die Anforderungen der übertragenen Tätigkeiten aufgeklärt und zu deren Erfüllung vertraglich verpflichtet worden ist,
- dass ihm die notwendigen Informationen vollständig und rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden,
- dass das Unternehmen die Tätigkeit des Dritten einer angemessenen Überwachung sowie seine Arbeitsergebnisse einer Plausibilitätskontrolle unterzieht.
Insgesamt kann selbstverständlich auch ein "gelebtes" Tax CMS keine 100-%-Garantie bieten, dass (bewusste oder unbewusste) steuerliche Pflichtverletzungen vermieden werden – der "Faktor Mensch" bleibt bestehen.