Rz. 158
Werden durch dieselbe Handlung, z.B. durch Abgabe einer Steuererklärung, Steuern teils vorsätzlich, teils leichtfertig verkürzt, so wird die Steuerordnungswidrigkeit durch den Straftatbestand des § 370 AO verdrängt (Gesetzeskonkurrenz). § 378 AO ist gem. § 21 Abs. 1 OWiG gegenüber § 370 AO subsidiär (zum Begriff der Subsidiarität s. § 370 Rz. 883). Maßgebend für diese Regelung war die Erwägung, "dass die Strafe stets eine stärkere Wirkung hat als die Geldbuße und dass der Unrechtsgehalt einer Straftat regelmäßig das Unrecht einer Ordnungswidrigkeit übertrifft".
Rz. 159
Werden daher durch dieselbe Steuererklärung Steuerbeträge teils vorsätzlich, teils leichtfertig verkürzt, so kann nicht auf Geldbuße erkannt werden. Die Ordnungswidrigkeit tritt hinter dem Straferkenntnis voll zurück. Die leichtfertige Steuerverkürzung kann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Die frühere Rspr., nach der in diesen Fällen die Verkürzungsbeträge zusammenzurechnen waren mit der Folge der Strafmilderung, ist nach Einführung der § 377 Abs. 2 AO, § 21 Abs. 1 OWiG überholt.
Rz. 160
Werden die leichtfertige und die vorsätzliche Steuerverkürzung durch verschiedene selbständige Handlungen verwirklicht (Tatmehrheit), dann kann grds. auf Geldbuße und Geldstrafe nebeneinander erkannt werden.
Rz. 161
Im Einzelfall kann sich aber auch eine bereits abgeschlossene leichtfertige Steuerverkürzung gegenüber einer späteren Steuerhinterziehung als mitbestrafte Vortat (Gesetzeskonkurrenz) darstellen.
Beispiel 7
A gab leichtfertig eine unrichtige Steuererklärung ab. Später erkannte er den Fehler in der Steuererklärung, verzichtete aber bewusst auf eine Richtigstellung.
Das OLG führte aus, A sei gem. § 153 AO verpflichtet gewesen, den Fehler zu berichtigen. Der Vollständigkeit halber sei auf die Rspr. des BGH verwiesen, welche auch im Falle des Eventualvorsatzes eine Korrektur gem. § 153 AO verlangt. Hieraus ergeben sich in der Praxis ungelöste Fragen des Verbots der Selbstbelastung (nemo tenetur). Die bewusste Nichterfüllung der Anzeigepflicht stelle eine vorsätzliche Steuerverkürzung dar, die keineswegs als bloßes Verwertungsdelikt (straflose Nachtat, s. § 370 Rz. 885 f.) gegenüber der vorher begangenen leichtfertigen Steuerverkürzung angesehen werden könne.
"Eine vorher begangene fahrlässige Steuerverkürzung kann zwar nicht auf Grund nachträglicher anderweitiger Erkenntnis des Steuerpflichtigen zu einer vorsätzlichen werden. Die vorsätzliche Nichtberichtigung überschreitet jedoch den Rahmen der dem Steuerpflichtigen zur Last fallenden früheren fahrlässigen Steuerverkürzung, die in der späteren Steuerhinterziehung aufgeht." Vgl. auch § 370 Rz. 314.
Rz. 162
Greift § 370 AO nicht ein, weil Vorsatz nicht festgestellt werden kann, so ist bei dem gesetzlich bestimmten Täterkreis – je nach Lage des Falles – eine leichtfertige Tat nach § 378 AO in Betracht zu ziehen. § 378 AO hat in solchen Fällen die Wirkung eines Auffangtatbestands. Eine wahldeutige Verurteilung wegen leichtfertiger und vorsätzlicher Steuerverkürzung ist wegen des wesensmäßigen Unterschieds von Fahrlässigkeit und Vorsatz dagegen ausgeschlossen.