Rz. 1

[Autor/Stand] Die erste dem heutigen § 378 AO vergleichbare Vorschrift war § 367 RAO 1919. Zwar enthielten schon vorher die meisten der zahlreichen Steuergesetze des Reiches und der Länder entsprechende Regelungen über die nicht vorsätzliche Steuerverkürzung[2], mit § 367 RAO 1919 wurde jedoch erstmals eine allgemeine, im ganzen Reichsgebiet geltende Vorschrift eingeführt. § 367 RAO 1919 lautete:

(1) Wer fahrlässig als Steuerpflichtiger oder als Vertreter oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt oder Steuervorteile zu Unrecht gewährt oder belassen werden (§ 359 Abs. 1, 2), wird, soweit in den einzelnen Gesetzen nichts Abweichendes vorgeschrieben ist, wegen Steuergefährdung mit einer Geldstrafe bestraft, die im Höchstbetrag halb so hoch ist wie die für die Steuerhinterziehung angedrohte Geldstrafe.

(2) Eine Steuerumgehung (§ 5) ist nur dann als Steuergefährdung zu bestrafen, wenn die Verkürzung der Steuereinnahmen oder die Gewährung der ungerechtfertigten Steuervorteile dadurch bewirkt wird, daß der Täter vorsätzlich oder fahrlässig Pflichten verletzt, die ihm im Interesse der Ermittlung einer Steuerpflicht obliegen.

Diese Vorschrift bildet die Grundlage der heute noch geltenden Regelung, wenngleich sie auch vielfach abgeändert wurde.

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Die Neufassung der RAO von 1956 brachte neben redaktionellen auch sachliche Änderungen. Die an die subjektive Tatseite zu stellenden Anforderungen wurden verschärft, was eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift zur Folge hatte. Genügte bis dahin für die Strafbarkeit in beiden Absätzen der Vorschrift leichte Fahrlässigkeit, so machte sich der Täter nun erst strafbar, wenn er die Steuerverkürzung leichtfertig verursachte. In Abs. 2 entfiel der Hinweis auf § 5, später § 10 RAO, nachdem Letzterer durch § 6 StAnpG ersetzt worden war. Außerdem wurde die Bezeichnung der Vorschrift geändert. Die Bezeichnung "Steuergefährdung" war angesichts der Tatsache, dass die leichtfertige Steuerverkürzung ein Verletzungstatbestand ist, unzutreffend (vgl. aber BGH vom 27.10.2015[4], welcher betont, dass es sich bei § 370 AO um ein Vermögensgefährdungsdelikt handele; diese Sicht dürfte konsequent auch für § 378 AO gelten, vgl. Rz. 51). Die neue Bezeichnung "fahrlässige Steuerverkürzung" trug dem zwar Rechnung, berücksichtigte aber nicht, dass der Tatbestand nunmehr "Leichtfertigkeit" voraussetzte.

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Die Bezeichnung "leichtfertige Steuerverkürzung" erhielt die Vorschrift erst durch das 2. AOStrafÄndG vom 12.8.1968[6], auf dem die heutige Fassung der Vorschrift beruht. Durch das 2. AOStrafÄndG wurde der Tatbestand in eine Ordnungswidrigkeit umgewandelt (s. dazu Vor §§ 377–384 Rz. 10 ff.). Im Übrigen entsprach die neue Vorschrift des § 404 RAO 1968 sachlich der bisherigen Regelung des § 402 RAO 1956[7]. Die Worte "oder als Vertreter" im Tatbestand dieser Vorschrift waren überflüssig und wurden durch das 2. AOStrafÄndG gestrichen. Die Vertreter des Stpfl. fallen zum Teil selbst unter den Begriff des Stpfl. oder handeln in Wahrnehmung der Angelegenheiten des Stpfl. (s. die Ausführungen zum Täterkreis Rz. 9 ff.). Im Übrigen macht auch § 9 OWiG eine besondere Hervorhebung dieser Tätergruppe entbehrlich.

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Die AO 1977 hat die Vorschrift des § 404 RAO 1968 sachlich unverändert gelassen. § 378 AO, der die leichtfertige Steuerverkürzung regelt, wurde lediglich durch einige redaktionelle Änderungen der in § 370 AO neu gefassten vorsätzlichen Steuerverkürzung angepasst. Über die modifizierte Verweisung des § 378 Abs. 1 Satz 2 AO wird seitdem auch die Verfolgung leichtfertiger Verkürzung von Umsatzsteuern und harmonisierten Verbrauchsteuern eines anderen EU-Mitgliedstaates sichergestellt[9] (zum erweiterten § 370 AO s. § 370 Rz. 542 ff. und 556 ff..

Durch das Gesetz vom 21.12.1992[10] wurde eine Anpassung von § 378 AO an § 370 AO erreicht sowie durch das Gesetz vom 19.12.2000[11] eine Umstellung in Abs. 2 von 100.000 DM auf 50.000 EUR mit Wirkung zum 1.1.2002. Das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der damit zusammenhängenden Steuerhinterziehung vom 23.7.2004 führte durch § 50e Abs. 2 EStG zu einer mittelbaren Erweiterung des § 378 AO. Nach dieser Vorschrift findet § 378 AO auch bei vorsätzlichem Handeln Anwendung, sofern eine Verletzung der steuerlichen Pflichten im Zusammenhang mit geringfügigen Beschäftigungen in Privathaushalten vonseiten des Stpfl. besteht[12].

Durch das am 3.5.2011 in Kraft getretene Schwarzgeldbekämpfungsgesetz[13] ergaben sich weitreichende Änderungen des § 371 AO (s. § 371 Rz. 12). § 378 Abs. 3 AO wurde dagegen nur sprachlich neu gefasst und an die Formulierung des § 371 Abs. 1 AO angepasst, wohingegen die bestehende Gesetzeslage inhaltlich unverändert blieb[14]. Das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014[15] (AO-Änderungsgesetz) führte zu einer Einfügung eines neuen Satze...

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