a) Allgemeines
Rz. 179
Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 wurde § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO neu in das Gesetz aufgenommen. Danach handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 146a Abs. 1 Satz 1 AO ein dort genanntes technisches Aufzeichnungssystem nicht oder nicht richtig verwendet und dadurch die Verkürzung von Steuereinnahmen oder die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen ermöglicht.
§ 146a Ordnungsvorschrift für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme; Verordnungsermächtigung
(1) [1] Wer aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfasst, hat ein elektronisches Aufzeichnungssystem zu verwenden, das jeden aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfall und anderen Vorgang einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzeichnet. [2] Das elektronische Aufzeichnungssystem und die digitalen Aufzeichnungen nach Satz 1 sind durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen. [3] Diese zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung muss aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer einheitlichen digitalen Schnittstelle bestehen. [4] Die digitalen Aufzeichnungen sind auf dem Speichermedium zu sichern und für Nachschauen sowie Außenprüfungen durch elektronische Aufbewahrung verfügbar zu halten. [5] Es ist verboten, innerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes solche elektronischen Aufzeichnungssysteme, Software für elektronische Aufzeichnungssysteme und zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen, die den in den Sätzen 1 bis 3 beschriebenen Anforderungen nicht entsprechen, zur Verwendung im Sinne der Sätze 1 bis 3 gewerbsmäßig zu bewerben oder gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen.
(2) ...
b) Täterkreis
Rz. 180
Täter einer Steuergefährdung i.S.d. § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO kann jeder sein, der aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge mithilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfasst und dabei kein elektronisches Aufzeichnungssystem i.S.d. § 146a Abs. 1 AO verwendet bzw. dieses nicht richtig verwendet. Für die Bestimmung des Täterkreises kommt es somit nicht auf den Erfassungsvorgang als solchen an, sondern auf das Verwenden des Systems. Damit kann nur der Verwender des Systems Täter sein. Dies dürfte im Regelfall nur der Steuerpflichtige selbst sein. Dies gilt auch dann, wenn er die Aufzeichnungsaufgaben vollständig auf Dritte delegiert.
Rz. 181
Ein Mitarbeiter kann demnach nicht Täter sein, denn er ist zum einen nur Anwender des Systems und zum anderen nicht aufzeichnungspflichtige Person.
Rz. 182
Wer schon kein elektronisches Aufzeichnungssystem verwendet, sondern beispielsweise eine offene Ladenkasse, kann ebenfalls nicht Täter sein.
c) Begriff der "Geschäftsvorfälle oder anderer Vorgänge"
Rz. 183
Die Gesetzesbegründung definiert Geschäftsvorfälle in diesem Sinne wie folgt:
Geschäftsvorfälle sind alle rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgänge, die innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts den Gewinn bzw. Verlust oder die Vermögenszusammensetzung in einem Unternehmen dokumentieren oder beeinflussen bzw. verändern (z.B. zu einer Veränderung des Anlage- und Umlaufvermögens sowie des Eigen- und Fremdkapitals führen).
Beispiele 5
Eingangs- und Ausgangsumsätze, Stornierungen eines Umsatzes, Trinkgelder, Gutscheine, Entnahmen, Einlagen, Geldtransit.
Rz. 184
Andere Vorgänge sind nach der Gesetzesbegründung solche Aufzeichnungsprozesse, die unmittelbar durch Betätigung der Kasse erfolgen (z.B. Tastendruck, Scanvorgang eines Barcodes), unabhängig davon, ob sich daraus ein Geschäftsvorfall entwickelt. Das heißt, durch jede Betätigung der Kasse erfolgt eine Protokollierung. Unter anderen Vorgängen sind somit Vorgänge im Geschäftsprozess zu verstehen, die letztendlich nicht zu einem Geschäftsvorfall geführt haben oder grundsätzlich nicht dazu geeignet sind, einen Geschäftsvorfall zu bewirken, aber einen Prozess im Unternehmen darstellen.
Beispiele 7
Trainingsbuchungen, Sofortstornierungen, Belegabbrüche, erstellte Angebote.
Rz. 185
Die in der Gesetzesbegründung gegebene Definition wird vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots zu Recht kritisch gesehen. Denn mit der gesetzlichen Formulierung fallen unter den Begriff "andere Vorgänge" letztlich alle in einem System gespeicherten Daten. Es besteht die Sorge, dass dies zu ausufernd ist und beispielsweise eine Verfahrensdokumentation, die die Verarbeitungslogiken sämtlicher Daten nicht beschreibt, schon einen Verstoß gegen § 146a Abs. 1 Satz 1 AO vermitteln kann. Zu fordern ist daher eine Legaldefinition im Gesetz. Dabei wäre eine Einschränkung des Begriffs hinsichtlich einer potentiellen Verschleierung bzw. eine Beschränkung auf Vorgänge, die unmittelbar durch die Betätigung der Kasse vorgenommen werden, beg...