a) Allgemeines
Rz. 256
Der Bußgeldtatbestand des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AO wurde gemeinsam mit § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 1h und Nr. 1i AO durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 20.12.2022 eingefügt und sanktioniert die nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung von Unterlagen i.S.d. § 147 Abs. 1 Nr. 1–4 AO. Danach sind Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen (§ 147 Abs. 1 Nr. 1 AO), die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe (§ 147 Abs. 1 Nr. 2 AO), die Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe (§ 147 Abs. 1 Nr. 3 AO) sowie die Buchungsbelege (§ 147 Abs. 1 Nr. 4 AO) aufzubewahren.
Jene Aufzeichnungen und Unterlagen sind nach der Gesetzesbegründung ein wesentliches Instrument, um die Richtigkeit der Angaben des Steuerpflichtigen überprüfen zu können. Sofern ein Steuerpflichtiger diese Unterlagen nicht vollständig oder gar nicht aufbewahrt oder nachträglich vernichtet, kann dies eine Außenprüfung oder Nachschau stark beschränken. Zwar ist in solchen Fällen in Besteuerungsverfahren der Weg über die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 AO denkbar. Der Nachweis der Steuerhinterziehung bzw. der leichtfertigen Steuerverkürzung, hinter die der Bußgeldtatbestand zurücktreten würde (s. Rz. 703), ist in solchen Fällen jedoch nicht immer möglich, da gerade die Unterlagen für den Nachweis fehlen. Die Vernichtung von aufbewahrungspflichtigen Unterlagen fällt nicht unter § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 8 AO schließen diese Sanktionslücke.
Rz. 256.1
§ 147 Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen
(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:
- 1. Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
- 2. die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
- 3. Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
- 4. Buchungsbelege,
[...]
(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn [...].
(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.
(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.
(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, [...].
(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, [...]
(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist [...].
b) Täterkreis
Rz. 256.2
Täter des Unterlassungstatbestands des Nichtaufbewahrens entgegen § 147 Abs. 1 Nr. 1–4 AO kann nur sein, wer eine entsprechende Rechtspflicht zum Aufbewahren hat. § 147 AO ist eine Ordnungsvorschrift und ist akzessorisch zur Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Es wird in § 147 AO keine eigene Aufzeichnungspflicht begründet.
Rz. 256.3
Folglich ist derjenige, der nach §§ 140 ff. AO zur Führung von Büchern u...