a) Gefährdung inländischer Abgaben
Rz. 265
Die in § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–3 AO umschriebenen Handlungsweisen müssen eine Gefährdung für das geschützte Rechtsgut derart darstellen, dass durch sie eine Verkürzung von Steuereinnahmen ermöglicht wird. Eine abstrakte Verkürzungsgefahr genügt, d.h. die bloße objektive Eignung der Handlung, Steuern zu verkürzen oder ungerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Nicht erforderlich ist, dass das Ausstellen unrichtiger Belege, das entgeltliche Inverkehrbringen von Belegen oder das Falsch- bzw. Nichtverbuchen/-aufzeichnen subjektiv zu dem Zweck geschieht, eine spätere Steuerverkürzung zu ermöglichen. Ebenso wenig von Bedeutung ist, ob es tatsächlich zu einer Steuerverkürzung kommt. Die gesetzgeberische Konzeption, bei den genannten Tathandlungen bereits das bloße Tun oder Unterlassen zu sanktionieren, ist nachvollziehbar, da den Tathandlungen des Ausstellens unrichtiger Belege, dem Inverkehrbringen von Belegen gegen Entgelt und der Verletzung von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten bereits ein gefahrerhöhendes Element innewohnt. Es handelt sich um typische Vorbereitungshandlungen einer Steuerverkürzung.
Rz. 266
Hinsichtlich der nachträglich in das Gesetz aufgenommenen Tatbestände des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4–6 AO fehlt es bei den Tathandlungen an einem gefahrerhöhenden Element. Sie sind im Gegensatz zu Nr. 1–3 neutral ausgestaltet. Ihnen wohnt nicht per se eine Gefahrerhöhung inne. Intention des Gesetzgebers war indes – wie der Name des den Vorschriften zugrunde liegenden Änderungsgesetzes bereits sagt – ein Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen. Man wollte auch insoweit typische Vorbereitungshandlungen einer Steuerverkürzung sanktionieren. Es fehlt somit ein tatbestandliches Korrektiv, das die Sanktionswürdigkeit des Handelns vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen könnte. Würde man die Tatbestände des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4–6 AO gleichwohl als abstrakte Gefährdungsdelikte verstehen, würde der Anwendungsbereich des § 379 AO insoweit unverhältnismäßig erweitert. Folglich sind m.E. § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4–6 AO als konkrete Gefährdungsdelikte anzusehen. Der Wortlaut ist daher einschränkend dahin gehend auszulegen, dass die Tathandlung nicht lediglich abstrakt geeignet ist, eine Steuerverkürzung oder einen nicht gerechtfertigter Steuervorteil herbeizuführen, sondern eine konkrete Gefahr für das Steueraufkommen besteht.
Rz. 267
Aus dem Tatbestandsmerkmal "Ermöglichen" folgt des Weiteren, dass es nicht darauf ankommt, ob die Steuerverkürzung ohne die in § 379 Abs. 1 AO aufgeführten Tathandlungen unmöglich wäre.
Rz. 268
Belanglos ist zudem, welcher Person der Tatvorteil zugute kommt. Die Möglichkeit der Steuerverkürzung kann sowohl eigene (z.B. falsche Bewirtungsbelege; Nichtverbuchen von Betriebseinnahmen) als auch fremde Steuern betreffen (z.B. Gefälligkeitsbelege oder Spendenbescheinigungen).
Rz. 269
Zu den Begriffen "Steuern" und "Steuervorteil" s. § 370 Rz. 377 ff.; zu den ebenfalls erfassten Einfuhr- und Ausfuhrabgaben vgl. den seit 1.6.2016 geltenden Art. 5 Nr. 20, 21 UZK.
Rz. 270
Mit § 379 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO wird der Schutzbereich der Bußgeldvorschrift auf bestimmte Steuern anderer Staaten ausgedehnt, allerdings nicht für alle Tatalternativen des Abs. 1. Als Tathandlungen kommen nur die in § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Verhaltensweisen in Betracht, d.h. nur das Ausstellen unrichtiger Belege, nicht aber die Tathandlungen nach § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2–6 AO, selbst wenn dadurch die Verkürzung ausländischer Steuern und Abgaben ermöglicht wird.
Rz. 271
Aufgrund des Bestimmtheitsgebots (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG) ist die Verweisung in § 379 Abs. 1 Satz 3 AO ("das Gleiche gilt") auf den vorhergehenden Satz von § 379 Abs. 1 AO insgesamt zu verstehen, nicht nur auf den 2. Halbsatz, der § 370 Abs. 7 AO für entsprechend anwendbar erklärt.
Rz. 272
Zunächst betrifft die Ausweitung des Anwendungsbereichs Vorbereitungshandlungen zur gem. § 370 Abs. 6 Satz 1 AO bzw. § 378 Abs. 1 Satz 2 AO nach deutschem Recht zu ahndenden Verkürzung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (zum Begriff vgl. Art. 5 Nr. 20, 21 UZK), die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden (ausführlicher s. § 370 Rz. 542 ff.). Daneben erfasst § 379 Abs. 1 Satz 2 AO falsche Erklärungen zum Nachteil eines Staates, der für Waren aus der EU aufgrund eines Assoziations- oder Präferenzabkommens eine Vorzugsbehandlung gewährt. Das sind außer den (verbliebenen) Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsorganisation (EFTA) – Island, Schweiz, Liechtenstein, Norwegen (s. dazu § 370 Rz. 554) – die Mittel- und Osteuropäischen Länder (MOELs). Soweit die EU nur einseitig Präferenzen gewährt, wie z.B. im Warenverkehr mit Überseeländern sow...