Rz. 108
Früher wurde zum Teil die Auffassung vertreten, § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO stelle ein Sonderdelikt dar. Täter könnten nur der Stpfl. selbst und die Personen sein, die von ihm mit der Aufzeichnung bzw. Buchführung beauftragt sind. Nach h.M. liegt ein Sonderdelikt nur vor, wenn der Tatbestand der Norm einen Täter mit besonderen Merkmalen voraussetzt. § 379 Abs. 1 AO bestimmt ganz allgemein, "wer [...] unrichtig aufzeichnet oder aufzeichnen lässt, verbucht oder verbuchen lässt", handelt ordnungswidrig. Zwar werden i.d.R. nur der Stpfl. selbst oder der mit der Buchführung Beauftragte Falschaufzeichnungen oder Falschbuchungen tatsächlich vornehmen können. Insoweit handelt es sich aber nicht um täter-, sondern um tatbezogene Voraussetzungen.
Rz. 109
Täter einer Falschaufzeichnung oder Falschbuchung kann daher jeder sein, der rein tatsächlich die Möglichkeit hat, eine Aufzeichnung oder Buchung vorzunehmen. Allerdings wird der Tatbestand nicht verwirklicht, wenn jemand unrichtige Aufzeichnungen oder Buchungen vornimmt, ohne jedoch buchführungs- oder aufzeichnungspflichtig zu sein.
Rz. 110
Dasselbe gilt für die Tatbestandsalternative des Nichtaufzeichnens oder Nichtverbuchens. Bei diesem Unterlassungstatbestand wird sich die Rechtspflicht zum Handeln zwar häufig aus der gesetzlichen Buch- bzw. Aufzeichnungspflicht (z.B. für die in § 9 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 34, 35 AO genannten Personen) oder aus einer Beauftragung durch den Stpfl. (vgl. insoweit den in § 9 Abs. 2 OWiG bezeichneten Normadressatenkreis) ergeben.
Rz. 111
Nach einer in der Rspr. vertretenen Ansicht begeht ein lediglich intern für einen Mandanten tätig gewordener Steuerberater mangels eigener Angaben keine leichtfertige Steuerverkürzung (s. ausf. § 378 Rz. 19 ff., 23). In diesen Fällen dürfte aber eine Steuergefährdung nach § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO in der Alternative der leichtfertigen Nichtverbuchung aufzeichnungspflichtiger Geschäftsvorfälle (vgl. § 22 UStG) in Betracht kommen.
Rz. 112
Zwingend erforderlich ist die Stellung eines Steuerberaters als Berufsträger aber nicht. Vielmehr kann die Tätereigenschaft auch in tatbezogenen Umständen begründet sein.
Beispiel
In einem Supermarkt wird nach Geschäftsschluss noch eine größere Warenlieferung erwartet. Der Buchhalter, der am nächsten Tag seinen Urlaub antreten und daher zeitig nach Hause gehen will, bittet den zufällig anwesenden Sohn des Inhabers, für ihn die Eintragung in das Wareneingangsbuch vorzunehmen. Dieser erklärt sich bereit, unterlässt die Buchung aber, weil er meint, sein Vater solle die längere Abwesenheit des Buchhalters ausnutzen. Der Sohn des Inhabers hat hier rein tatsächlich eine Garantenstellung eingenommen, die ihn verpflichtete, die Eintragung vorzunehmen. Die Nichtbuchung erfüllt den Tatbestand des § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO.
Rz. 113
Dagegen ist die Tatbestandsalternative des Nicht- bzw. Falschaufzeichnen- bzw. -verbuchenlassens, d.h. die Unterlassungsvariante von § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zutreffender Ansicht nach ein Sonderdelikt. Hier wird von der Bußgeldnorm vorausgesetzt, dass der Täter eine gehobene Position einnimmt, die ihn befähigt, anderen Weisungen zu erteilen (z.B. der Inhaber einer Einzelfirma, der GmbH-Geschäftsführer, aber auch faktische Organe einer juristischen Person).
Rz. 114
Dies schließt aber nicht aus, dass die weisungsgebundenen Personen bei dieser Tatbestandsalternative mit Bußgeld belegt werden können.
Beispiel
Bei einer Warenlieferung ohne Rechnung weist A den Angestellten B an, zum Buchhalter C zu gehen, um diesem zu übermitteln, dass das Geschäft nicht verbucht werden soll. B und C befolgen die Anweisung. Hier handeln A (Alternative Nichtverbuchenlassen) und C (Nichtverbuchen) als Täter. Das Verhalten des B kann gem. § 14 Abs. 1 OWiG unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung an der Tat des A mit Bußgeld geahndet werden.
Rz. 115
Wenn der kraft Gesetzes Verantwortliche die Aufzeichnungs- bzw. Buchführungspflichten auf Dritte delegiert, so bleibt er zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Beauftragten verpflichtet, will er sich nicht selbst dem Vorwurf einer leichtfertigen Steuergefährdung aussetzen. In diesem Fall besteht Gesetzeskonkurrenz zu einer Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG (s. dazu Rz. 715). Bei OR-Geschäften kann auch der Geschäftspartner an einer Steuergefährdung nach § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 14 OWiG beteiligt sein (s. Rz. 147 ff.).
Rz. 116– 117
Einstweilen frei.