aa) Begriff der "Geschäftsvorfälle und Betriebsvorgänge"
Rz. 144.1
Die Sammelbegriffe "Geschäftsvorfälle" und "Betriebsvorgänge" bezeichnen bestimmte Vorgänge in einem wirtschaftlichen Unternehmen, die für die Steuererhebung von Bedeutung sind. Die Begriffe sind nicht völlig gleichbedeutend, eine Abgrenzung jedoch praktisch ohne Relevanz. Obwohl eine klare Trennungslinie nicht zu ziehen ist, kann die Abgrenzung derart vorgenommen werden, dass mit "Betriebsvorgängen" steuerrechtlich bedeutsame innerbetriebliche Sachverhalte (z.B. Entnahme zum Eigenverbrauch), mit "Geschäftsvorfällen" solche Umstände, die einen rechtsgeschäftlichen Leistungsverkehr mit Dritten betreffen, gemeint sind.
Rz. 144.2
Durch die Einbeziehung der "Betriebsvorgänge" werden auch Zuwiderhandlungen gegen verbrauchsteuerliche Buchungs- und Aufzeichnungspflichten erfasst, die aber vorrangig nach der Sondervorschrift des § 381 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ahnden sind (s. § 381 Rz. 23 ff.).
Zur Definition des Geschäftsvorfalls i.S.d. § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO s. Rz. 183.
bb) Nichtverbuchen
Rz. 145
Das Nichtverbuchen von Geschäftsvorfällen oder Betriebsvorgängen ist ein echter Unterlassungstatbestand. Die Handlung kann sowohl in dem völligen Unterlassen der vorgeschriebenen Buchführung als auch in dem Unterlassen einzelner Eintragungen in den Geschäftsbüchern bzw. Eingaben in entsprechende elektronische Datenerfassungsprogramme bestehen.
Rz. 146
Die Tat ist vollendet mit Verstreichen des Zeitpunktes, in dem nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung die Buchung hätte vorgenommen werden müssen. Beendet ist die Tat allerdings erst, wenn die Buchung endgültig nicht mehr nachgeholt werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt ist eine Beteiligung (§ 14 OWiG) möglich.
Rz. 147
Derartige Verstöße kommen regelmäßig in Fällen sog. OR-Geschäfte vor, bei denen Lieferungen und Leistungen durchgeführt werden, über die weder Rechnungen noch sonstige Belege zwecks Absicherung der Nichtverbuchung erteilt werden ("Schwarzgeschäfte" unter Missachtung der §§ 143, 144 AO, s. bereits Rz. 107 und 120).
Beispiel
A kauft von B einen Warenposten. Über dieses Geschäft wird keine Rechnung erteilt. Der Buchhalter C des A verbucht den Wareneingang auf dessen Anweisung hin nicht.
Rz. 148
Soweit bei OR-Geschäften Lieferant und Abnehmer zumindest stillschweigend kollusiv zusammenwirken, den Geschäftsvorgang nicht buchen und der Abnehmer auch den Weiterverkauf nicht verbucht, begeht der Abnehmer (im Beispiel A) eine Steuerverkürzung, zu der der liefernde Unternehmer (im Beispiel B) unter Umständen bei entsprechendem Wissen strafbare Beihilfe geleistet hat. Der Lieferant selbst wird vielfach ebenfalls den Verkauf nicht buchen. Für beide Beteiligten des OR-Geschäfts tritt dann der Gefährdungstatbestand des § 379 AO hinter die Steuerzuwiderhandlungen (§§ 370, 378 AO) zurück (s. Rz. 703).
Rz. 149
Dieser Fall dürfte indes eher selten praktisch relevant werden. Handelt der Lieferant nicht in der Absicht, den Verkaufsvorgang ebenfalls nicht in der Buchhaltung zu erfassen, geht es ihm i.d.R. darum, zu gewähren, dass der Geschäftsvorgang keinem konkreten Abnehmer zuzuordnen und der Abnehmer aus den Unterlagen des Lieferanten nicht ersichtlich ist und somit etwa im Rahmen einer Außenprüfung keine Kontrollmitteilung gefertigt werden kann. Um dies erreichen zu können, ist gar nicht erforderlich, dass der Lieferant jegliche Buchung unterlässt. Es reicht aus, dass Name und Anschrift nicht gebucht und auch nicht im Rechnungsbeleg aufgeführt werden. Dann handelt es sich aber um keine Nichtbuchung, sondern lediglich um eine unvollständige Buchung (s. Rz. 151).
Rz. 150
Allein die Nichterteilung einer nach § 144 Abs. 4 Satz 1 AO, § 14 Abs. 1 UStG vorgeschriebenen Rechnung oder unzureichende Rechnungsangaben erfüllen ebenfalls noch nicht den Tatbestand des Nichtverbuchens, da § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nur den Buchungsvorgang selbst erfasst. Es mag zwar steuer- und rechtspolitisch angebracht erscheinen, bereits unvollständige Aufzeichnungen z.B. in Abrechnungsbelegen für Wareneinkäufe (entgegen § 143 Abs. 3 AO) oder in Lieferscheinen für Warenverkäufe (entgegen § 144 Abs. 3 AO) als Steuergefährdung sanktionieren zu können. Dies verlangt jedoch eine Änderung bzw. Ergänzung des Gesetzeswortlauts, wie sie mit der durch das JStG 2010 erfolgten Einführung des § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO betr. die Sanktionierung von unzureichenden Aufzeichnungen des Warenausgangs vorgenommen wurde (s. Rz. 330). Die ab dem 1.1.2020 geltende Ergänzung des Tatbestands des Nichtaufzeichnens oder Falschaufzeichnens (s. Rz. 164 ff.) schließt die...