1. Gesetzesfassungen
Rz. 59
§ 32 ZollVG Nichtverfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten; Erhebung eines Zuschlags
(1) Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 369, 377 der Abgabenordnung) sollen als solche nicht verfolgt werden, wenn durch die Tat selbst oder die Vortat Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern von insgesamt nicht mehr als 250 Euro verkürzt wurden oder deren Verkürzung versucht wurde.
(2) Absatz 1 gilt nicht in den in § 370 Absatz 3, den §§ 373 und 374 Absatz 2 der Abgabenordnung genannten Fällen.
(3) Wird eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nach Absatz 1 nicht verfolgt oder wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat, die sich auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern bezieht, nach § 398 der Abgabenordnung oder nach § 153 der Strafprozessordnung abgesehen, so kann ein Zuschlag bis zur Höhe der festzusetzenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern, höchstens jedoch bis zu 250 Euro erhoben werden.
Rz. 60
Bis zum 15.3.2017 galt folgende Gesetzesfassung:
§ 32 ZollVG Nichtverfolgung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten; Erhebung eines Zuschlags
(1) Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 369, 377 der Abgabenordnung), die im grenzüberschreitenden Reiseverkehr begangen werden, werden als solche nicht verfolgt, wenn sich die Tat auf Waren bezieht, die weder zum Handel noch zur gewerblichen Verwendung bestimmt sind und der verkürzte Einfuhrabgabenbetrag oder der Einfuhrabgabenbetrag, dessen Verkürzung versucht wurde, 130 Euro nicht übersteigt.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Täter
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1. die Waren durch besonders angebrachte Vorrichtungen verheimlicht oder an schwer zugänglichen Stellen versteckt hält oder |
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2. durch die Tat den Tatbestand einer Steuerstraftat innerhalb von sechs Monaten zum wiederholten Male verwirklicht. |
(3) Liegt eine im grenzüberschreitenden Reiseverkehr begangene Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit vor, kann in den Fällen einer Nichtverfolgung nach Absatz 1 oder einer Einstellung nach § 398 der Abgabenordnung ein Zuschlag bis zur Höhe der Einfuhrabgaben, höchstens jedoch bis zu 130 Euro erhoben werden.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch bei der Einreise aus einer Freizone.
2. Bedeutung, Entwicklung und Anwendungsbereich der Norm
Rz. 61
Aufgrund der in § 32 Abs. 1 ZollVG enthaltenen, als sog. Schmuggelprivileg bezeichneten Sonderregelung ist es den Verfolgungsbehörden möglich, bei bestimmten, leichteren Steuervergehen ohne Strafe oder Geldbuße, gleichwohl mit einer sanktionsähnlichen Maßnahme zu reagieren, die im Ergebnis ein Verfahrenshindernis begründet. Mit der Norm sollen seit jeher massenhaft auftretende Fälle allenfalls kleinkriminellen Verhaltens außerhalb des für Steuerverfehlungen vorgesehenen Sanktionensystems vergleichsweise unauffällig und schnell geahndet werden können. Die Vorschrift typisiert für bestimmte Bagatellverfehlungen mit geringem Unrechtsgehalt die regelmäßig ausreichende Ahndung mit einem Zollzuschlag als einer Abgabe eigener Art (s. Rz. 69). Mit der Gesetzesänderung ab dem 16.3.2017 und dem damit verbundenen erweiterten Anwendungsbereich erlangte die Regelung wieder mehr praktische Bedeutung. Die Neufassung ist anders als § 32 ZollvG a.F. nicht als zwingendes Verfolgungshindernis, sondern als Soll-Vorschrift ausgestaltet, die für den Regelfall die Ahndung mittels Zollzuschlagserhebung, für die allein die Zollverwaltung zuständig ist, vorsieht (s. Rz. 66).
Rz. 62
Die Norm, hervorgegangen aus dem früheren § 80 ZollG, war zunächst nur bei Zollstraftaten und -ordnungswidrigkeiten anwendbar. Ab 1996 wurde der Anwendungsbereich der Norm erstmals ausgedehnt und erstreckte sich seitdem generell auf Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten, die sich auf Einfuhrabgaben i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 3 ZollVG bezogen, soweit die Verfehlungen im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr, d.h. der Einfuhr von Nichts-Unionswaren über den deutschen Teil der Grenze des EU-Zollgebiets, begangen worden sind. Die Fassung von § 32 ZollVG a.F. (s. Rz. 60) ist – wie auch die Regelungen zur Erleichterung bei Gestellung, Anmeldung, Beförderung und zu den geltenden Freimengen – im Lichte der Bestrebungen zu betrachten, die für den Reiseverkehr zwischen der EU und Drittstaaten geltenden Formalitäten möglichst auf ein Mindestmaß zu beschränken. Die wegen dieser Beschränkung auf den Reiseverkehr seither als Schmuggelprivileg bezeichnete So...